Mittwoch, 31. Dezember 2008

Guten Rutsch

2008 ist fast zu Ende, die Sonne des letzten Tages im Jahr geht gerade unter, die allermeisten Leute haben Feierabend und sitzen zuhause, während sie darauf warten, daß die Party anfängt, und einige Zeitgenossen bereiten sich auf den Nachtdienst vor... Zeit für einen kleinen Rückblick.

Das vergangene Jahr hat zumindest in der medialen Darstellung deutliche Akzente mit dem Thema "gewalttätige Straßenkriminalität" gesetzt. Ins Koma geprügelte Fahrgäste in öffentlichen Verkehrsmitteln, öffentlich ausgetragene Ausschreitungen zwischen Milieugruppierungen um die Vorherrschaft im Nachtleben, "happy slapping" auf Schulhöfen und Gangs von jugendlichen Intensivtätern in großstädtischen Problembezirken bestimmten die Berichterstattung und die öffentliche Diskussion.

Da die PKS-Zahlen für 2008 noch nicht veröffentlicht sind, läßt sich im Moment nicht sagen, ob die Aufmerksamkeit, die diesem Thema zuteil geworden ist, auch einen tatsächlichen zahlenmäßigen Anstieg wiederspiegelt. Allerdings indiziert die Entwicklung der letzten paar Jahre, daß dies durchaus der Fall sein könnte.

Zwar hat sich die Häufigkeitszahl (Anzahl der Straftaten im Verhältnis zur Bevölkerungsmenge) zwischen 2006 und 2007 insgesamt um 0,15 % verringert, allerdings ist die Anzahl der Gewaltdelikte meßbar (Körperverletzungsdelikte bsp. um 2,4 %) gestiegen und tut dies seit Jahren.

Weiterhin sind auch die Zahlen für Widerstandsdelikte seit Jahrzehnten kontinuierlich im Anstieg begriffen. 2007 waren es über 26.000 Fälle, was über die letzten zehn Jahre einen Anstieg im deutlich zweistelligen Bereich bedeutet. Und auch jenseits aller Statistiken berichten Polizeibeamte aus allen Teilen Deutschlands, aus Stadtstaaten und Flächenländern, aus Schwerpunktdienststellen und ruhigen Landrevieren, daß das Ausmaß an Gewalt, das ihnen bei der Durchführung ihrer Aufgaben entgegengebracht wird, immer mehr ansteigt.

In bestimmten großstädtischen Milieus ist es mittlerweile ein beliebtes Hobby, durch einen fingierten Notruf das Erscheinen eines Streifenwagens zu provozieren, dann im Schutz der Gruppe die verbale, aber auch körperliche Auseinandersetzung mit den Beamten zu suchen und die gesamte Szene mit einem Handy zu filmen. In zwei bekantgewordenen Fällen war im vergangenen Jahr auch eine Tötung der eingesetzten Beamten geplant.

Natürlich ist diese Entwicklung ein gesamtgesellschaftliches Problem, das weder Polizei noch Justiz sinnvoll lösen kann. Allerdings denke ich, daß die justizielle Bewertung von Widerstands- und Körperverletzungsdelikten maßgeblich dazu beigetragen hat, daß wir heute an diesem Punkt stehen. Wenn schwerste Gewalttaten, die bei den Opfern lebenslang bleibende Schäden hinterlassen, mit einer Bewährungsstrafe geahndet werden und gewalttätiger Widerstand gegen polizeiliche Maßnahmen regelmäßig mit einer Einstellung endet, fällt einfach das letzte bißchen Abschreckung weg, das unser Staat noch bieten kann.

Es ist kein Zufall, daß insbesondere Täter mit bestimmtem Migrationshintergrund regelmäßig der Polizei gegenüber offen aussprechen, "Wir haben keine Angst vor euch, denn uns passiert ja doch nichts." Diese Ausprägung der Rechtsprechung ist dem Bürger zunehmend nicht mehr zu vermitteln, weswegen unsere Glaubwürdigkeit im täglichen Dienst nicht nur gegenüber dem Täterklientel, sondern auch gegenüber den Opfern, dem gesetzestreuen Steuerzahler massiv leidet.

In diesem Sinne wünsche ich mir für das kommende Jahr


- für meine Kollegen und mich ein bißchen mehr Rückhalt in Politik, Justiz und Polizeiführung

- für unsere Richter und Staatsanwälte etwas mehr Einsicht in die Realitäten des Geschehens auf der Straße (regelmäßige Hospitationen auf einem Streifenwagen in einer beliebigen größeren Stadt in einem Wochenendnachtdienst sind da durchaus hilfreich)

- für unsere "Kundschaft" eine deutlich schnellere Aburteilung und spürbar härtere Sanktionierung

- und last but not least immer eine sichere und gesunde Heimkehr für alle diejenigen, die regelmäßig da draußen ihre Knochen riskieren - ihr wißt, wer ihr seid... bleibt in Form und bleibt sicher!


Das meiste davon kann ich leider nicht beeinflussen, aber ich werde auch im neuen Jahr wieder mein Möglichstes tun, um zumindest letzteres für mich selbst und meine Kollegen zu gewährleisten.


Guten Rutsch!!!

Donnerstag, 25. Dezember 2008

Feliz navidad

Frohe Weihnachten, liebe Leser... ich weiß nicht, wie ihr euer Weihnachtsfest verbracht habt, aber meins erinnerte mich etwas an das bekannte amerikanische Weihnachtslied "The 12 Days Of Christmas". Bei mir gab es


- einen unglückseligen Einbrecher (weil auf frischer Tat festgenommen)

- zwei Knöllchen für Verkehrsteilnehmer. die sich so sehr danebenbenahmen, daß sie selbst meine weihnachtliche Gnade verwirkt hatten

- drei Gramm Marihuana, die ein unachtsamer Discobesucher bei sich hatte

- vier Finger, die sich mein Kollege bei der Verfolgung des erwähnten Einbrechers aufschnitt, als er unglücklich landete

- fünf Kurven, durch die ich einem flüchtenden Fahrradfahrer hinterherfahren mußte, bevor er sich endlich auf die Nase legte (und alles für ein 20-Euro-Ticket)

- sechs Pfund, die ich beim Fräsen einer Schneise durch unser Weihnachtsdienstbuffet vermutlich zugenommen habe

- sieben Anzeigeerstatter (was treibt Leute dazu, ausgerechnet in der Heiligen Nacht die Polizei mit ihren privaten Problemen zu erfreuen?)

- acht Stunden, die ich der verprügelten Ehefrau maximal gebe, bevor sie ihn wieder in die Wohnung läßt

- neun blöde Sprüche auf ebensovielen Metern Disco-Schlange (warum halten sich Besoffene eigentlich immer für konkurrenzlos witzig?)

- zehn Verkehrskontrollen, ohne daß auch nur ein einziger Fahrer unter Stoff gestanden hätte

- elf Mitstreiter, die sich mit mir den Weihnachtsabend um die Ohren geschlagen haben

- zwölf Stunden Nachtdienstzeit für Zuschläge, für die in der freien Wirtschaft nicht mal eine ungelernte Hilfskraft aufstehen würde


Merry Christmay, y'all!

Montag, 22. Dezember 2008

Scharfe Gewalt

Wenige Tage nach dem Mordversuch an Herrn Mannichl in Passau ist auch in Berlin wieder ein Polizeibeamter niedergestochen worden. Da das Opfer kein "hohes Tier" und der Täter kein Rechtsextremist war, ist das Medienecho interessanterweise um ein Vielfaches geringer. Anscheinend gehört es für die Öffentlichkeit zum Berufsrisiko eines Polizisten, sich abstechen zu lassen, wenn der Betreffende auf der Straße arbeitet und keine höhere Führungsposition innehat.

Der Täter wurde zusammen mit einem Komplizen von einem Anwohner dabei beobachtet, wie er eine Kamera aus einem abgestellten Fahrzeug entwendete und anschließend in eine Wohnung ging. Als die eingesetzten Streifen nach erfolglosem Klingeln und Klopfen die Tür aufbrachen, stach der Täter dem ersten Zivilfahnder, der die Wohnung betrat, mehrfach mit einem Messer in die Brust, bevor er überwältigt und festgenommen werden konnte. Der Kollege ist mittlerweile zum Glück außer Lebensgefahr.

Diese Episode zeigt wieder einmal, wie sehr unsere "Kundschaft" auch schon bei banalsten Anlässen bereit ist, mit brutaler Gewalt gegen Polizeibeamte vorzugehen. Weiterhin zeigt sie aber auch, welches Gefahrenpotential bei Einsätzen in beengten, unübersichtlichen Umgebungen (wie es Wohngebäude in aller Regel sind) immer im Hintergrund lauert.

Und sie macht deutlich, daß eine Schußwaffe ein Einsatzmittel ist, das man nicht nur als weit entlegene Option für einen wie auch immer gearteten "sowieso nie eintretenden" Weltuntergangsfall mit sich herumtragen sollte, sondern ständig und jederzeit so handhaben sollte, daß es in ungeklärten Einsatzlagen mit Konfliktpotential (also praktisch in jedem einzelnen Routineeinsatz) binnen kürzester Zeit reaktionsschnell zum Einsatz gebracht werden kann. Und das impliziert, daß man die Waffe je nach Lage nicht erst dann zieht, wenn es zu spät ist und man bereits hinter die Reaktionskurve zurückgefallen ist, sondern sie unter Umständen schon vorher präventiv in Bereitschaft hält.

Samstag, 20. Dezember 2008

Home, sweet home

Im bayerischen Passau ist ein Polizeibeamter niedergestochen und schwer verletzt worden. Das Opfer ist Polizeidirektor Alois Mannichl, Leiter der Polizeidirektion Passau. Der Täter ist bislang noch nicht bekannt (zumindest was die Öffentlichkeit angeht), wird aber augenscheinlich der rechtsextremen Szene zugerechnet. Zumindest wird dies durch die Täterbeschreibung und die Tatsache, daß der Täter das Opfer bei der Tatausführung als "linkes Bullenschwein" beschimpft haben soll, indiziert. Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen verwendete der Täter ein Brotmesser, das das Opfer selbst für Gäste und Nachbarn im Eingangsbereich seines Hauses bereitgelegt hatte.

Herr Mannichl hat in seiner Tätigkeit als Leiter der PD Passau u.a. maßgeblich dadurch von sich reden gemacht, daß er unter Einbindung der Ressourcen seiner Dienststelle auf energische Art und Weise gegen rechtsextreme Bestrebungen und Strukturen in seinem Zuständigkeitsbereich vorgegangen ist und weder privat noch dienstlich die Konfrontation mit diesem Klientel gescheut hat.

Die vereinten Stimmen aus den Medien und der politischen Landschaft zeigen sich betroffen und schockiert darüber, daß die militante Rechte offensichtlich inzwischen nicht mehr davor zurückschreckt, gewaltsam und mit Tötungsabsicht gegen exponierte Vertreter des "Systems" vorzugehen. Und diese Sorge ist zweifelsohne berechtigt und angebracht.

Was ich persönlich jedoch mindestens ebenso bedeutsam finde und was vor allem nicht nur eine herausgehobene Symbolfigur wie Herrn Mannichl betrifft, sondern viele tausende unbekannte Polizeibeamte in ganz Deutschland, ist die Tatsache, daß der Angriff auf ihn nicht im Dienst, im Kontext eines Einsatz oder im Umfeld seiner Dienststelle geschehen ist, sondern zuhause im Bereich seiner privaten Lebensführung. Vertreter einer gewalttätigen und kriminellen Subkultur haben den ernsthaften Versuch unternommen, einen Polizeibeamten auf der Schwelle seines eigenen Hauses zu töten.

Nicht jeder von uns befindet sich in einer derart prominenten Position wie Herr Mannichl... tatsächlich führen die allermeisten von uns ein relativ unspektakuläres Leben und beschäftigen sich dienstlich mit ziemlich normalen und wenig herausstechenden Vorgängen. Wir sollten uns aber ab und zu daran erinnern, daß diese Tatsache nicht zwangsläufig bedeutet, daß uns niemand etwas Böses will.

Jeder Polizeibeamte, der einige Jahre Diensterfahrung hat, ist schon mal von seinem Gegenüber bedroht worden. In aller Regel handelt es sich dabei um leeres Gerede und bloßes Imponiergehabe, und so gehen die meisten Kollegen auch damit um. Wir dürfen aber eins nie vergessen: unser polizeiliches Gegenüber besteht zu einem nicht geringen Anteil aus habituellen Gewalttätern, die regelmäßig vollkommen irrationale Dinge tun, ohne auch nur ansatzweise daraus zu lernen. Unprovozierte Gewalt gegen Polizeibeamte und ihre Familien auszuüben, mag für den kühlen Rechner eine vollkommen unlogische Entscheidung sein... aber es gibt trotzdem Leute in den diversen kriminellen Milieus, für die ein derartiges Vorhaben durchaus eine bedenkenswerte Idee darstellt. Und es hat immer wieder Fälle gegeben, in denen versucht wurde, diese Ideen in die Tat umzusetzen.

Wir müssen akzeptieren, daß jeder einzelne von uns in dem Moment, in dem er in unsere Firma eintritt, sich selbst eine Zielscheibe auf den Rücken malt. Das ist ein unvermeidlicher Teil des Jobs. Wir schulden es aber unseren Familien, Freunden und uns selbst, daß wir dieses Risiko ernstnehmen und es nicht einfach mit einem Achselzucken abtun. Das bedeutet, daß wir auf die Möglichkeit vorbereitet sein sollten, daß jemand, mit dem wir dienstlich zu tun haben, eine Verbindung zwischen unserem beruflichen und unserem privaten Lebenm herstellt.

Und ganz konkret heißt es, gewohnheitsmäßig mißtrauisch zu sein... die Gegensprechanlage zu benutzen, durch den Türspion zu schauen, eine Sicherheitskette vorzulegen, sich beim Betreten und Verlassen seines Heims umzuschauen, sich seiner Umgebung bewußt zu sein, und auch im privaten Bereich Verteidigungsmittel bereitzuhalten. Das kann z.B. bedeuten, seine Dienstwaffe nach Feierabend nicht auf der Dienststelle einzuschließen, sondern sie mit nach Hause zu nehmen.

Und es heißt weiterhin, einem potentiellen Täter nicht auch noch ein perfektes Tatmittel an derjenigen Stelle des Hauses bereitzulegen, an dem er mit der höchsten Wahrscheinlichkeit auf uns treffen wird.

Donnerstag, 11. Dezember 2008

Alle Jahre wieder...

... kommt nicht nur der Weihnachtsmann, sondern ab und zu auch eine neue Beurteilungsrunde. Für meine geschätzten nichtpolizeilichen Leser: jeder Polizeibeamte wird in regelmäßigen Abständen (je nach Behörde alle zwei oder drei Jahre) von seinen Vorgesetzten beurteilt und bekommt eine Note, die u.a. über Dinge wie die Beförderungsreihenfolge entscheidet.

Traditionell vertritt die Behördenleitung dabei nach außen die Version, "Bei uns wird streng nach Eignung, Leistung und Befähigung beurteilt, genauso wie es im Grundgesetz steht", während sie tatsächlich intern so beurteilt, wie es ihr personalplanungsmäßig in den Kram paßt. Das Spaßige an der Sache ist nämlich, daß dienstliche Beurteilungen auf dem Rechtswege zumindest inhaltlich kaum anfechtbar sind, weil die Verwaltungsgerichte sich hüten, Mutmaßungen darüber anzustellen, ob der Vorgesetzte die Leistungen seines Mitarbeiters im Beurteilungszeitraum korrekt eingeschätzt hat. Sofern die Beurteilung also keine formalen oder verfahrensrechtlichen Fehler aufweist, ist sie im Grunde in Stein gemeißelt.

Da unsere oberste Heeresleitung aber bekanntlich auch mit der Gabe gesegnet ist, mittels Blick in die Kristallkugel glasklar zu erkennen, wieviele ihrer Schäflein sehr gute, gute, befriedigende, ausreichende Arbeit usw. leisten, hat sie in ihrer unerschöpflichen Weisheit Quoten geschaffen, aus denen sich ergibt, wieviele Beamte welche Note bekommen dürfen. Da diese Quoten bis auf die örtliche Ebene heruntergebrochen werden, kann der beurteilende Vorgesetzte selbst überhaupt nicht frei entscheiden, wie er wen beurteilt.

Die oben erwähnte Personalplanung sieht in den meisten Fällen so aus, daß die Behörde insbesondere bei den unteren Dienstgraden anstrebt, die Mitarbeiter gemäß ihrem Dienstalter zu befördern. Konkret bedeutet das, daß der beurteilende Vorgesetzte mitsamt seinem Hofstaat eine Liste aufstellt, wer denn wann "dran" ist. Diese Liste wird dann quotenmäßig aufgeteilt, woraus sich die tatsächliche Note jedes einzelnen Beamten ergibt. Im Umkehrschluß ergibt das - der geneigte Leser ahnt es schon - die unstrittige Tatsache, daß die Note nicht das Produkt der Leistungen und Fähigkeiten des Mitarbeiters, sondern vielmehr ein Ergebnis der Kombination seines Dienstalters mit einem Quotenschema ist.

Nachdem nun die Beurteilungen feststehen, wird als letztes der Beurteilungsbogen (der diverse Einstufungen des Mitarbeiters in verschiedenen Tätigkeitsfeldern und Beurteilungskriterien beinhaltet) so ausgefüllt, daß es "paßt". Schlußendlich wird die Beurteilung dem Beamten eröffnet... falls der Vorgesetzte (wie mein eigener Chef) ehrlich ist, erklärt er zumindest das oben geschilderte Prozedere, falls nicht, denkt er sich zum Ärger seiner Belegschaft irgendwelche Stories aus.

Das alles ist nun im Grunde nicht eben unbekannt, sondern im Polizeidienst altbekannte Realität. Jeder Kollege, der seine Laufbahnausbildung hinter sich gebracht hat und mit einigermaßem wachen Augen durch sein dienstliches Alltagsleben geht, weiß das eigentlich. Um so mehr wundert mich das Ausmaß des Geschimpfe und Gemeckere, das sich nach der aktuellen Beurteilungsrunde erhoben hat. Anscheinend hegen meine Mitstreiter deutlich mehr Illusionen, als ich ihnen zugetraut hätte, was die Anerkennung ihrer Fähigkeiten und Leistungen durch ihren Arbeitgeber angeht.

Man kann nun trefflich darüber lamentieren, daß sich die von Politikern aller Parteien vollmundig geforderte leistungsorientierte Beurteilung (und damit Bezahlung) in der innerbehördlichen Realität derart wenig wiederspiegelt. Alles Lamentieren wird aber nichts daran ändern, daß der Dienstherr auch weiterhin dafür sorgen wird, daß zumindest auf der Ausführungsebene der Polizei nach sozialen Kriterien befördert wird. Das mag zwar eine gewisse (relativ geringe) Anzahl von tatsächlichen oder eingebildeten Hochleistungstypen verärgern und demotivieren, aber die große Masse der Polizei besteht aus Leuten, die durchschnittliche Arbeit leisten, ohne dabei Spitzenleistungen zu erbringen... und die meisten von ihnen dürften es recht komfortabel finden, sich ihre Beförderung durch kontinuierliche Anwesenheit "ersitzen" zu können. Leistungsorientierte Beurteilungen mögen zu einer Qualitätssteigerung führen, soziale Beurteilungen hingegen sorgen für Ruhe im Stall... was es der Führungsetage wiederum leichter macht, trotz Kürzungen und anderen unbequemen Änderungen einigermaßen streßfrei zu regieren. Wer sich etwas anderes einbildet, lügt sich selber in die Tasche.

Ich für meinen Teil habe mich schon vor langer Zeit von dem Gedanken verabschiedet, realistisch und individuell beurteilt zu werden. Darüber bin ich allerdings auch recht froh, weil es mir ein recht entspanntes Berufsleben beschert hat und es mir ermöglicht, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren (und nicht darauf, wie selbige von meinem Chef wahrgenommen wird). Ich gebe allerdings zu, daß die Tatsache, daß ich keinerlei Karriereambitionen im herkömmlichen Sinne habe und somit über Beurteilungen nicht erpreßbar bin, mir dabei nicht unwesentlich geholfen hat.

Samstag, 6. Dezember 2008

Höhere Mathematik

Nach langem, zähen Ringen hat die Bundespolizei beschlossen, ihr altes Waffensystem SIG-Sauer P 225 (behördenintern als P6 designiert) nach nunmehr dreißig Jahren endlich aufs Altenteil zu schicken und durch die Walther P99 QA zu ersetzen. Die neue Dienstwaffe bietet (wie die übrigen gängigen Dienstwaffen der aktuellen Generation) ein Polymergriffstück, ein Abzugssystem mit gleichbleibendem Abzugsgewicht bei jedem Schuß und ein doppelreihiges Magazin.

Das ist insbesondere deswegen erfreulich, weil die neue Waffe mit einer Magazinkapazität von fünfzehn Schuß ihrem Anwender im Vergleich zur P6 nahezu den doppelten Munitionsvorrat bereitstellt. Meine Erfahrungen im dienstlichen FX-Training (insbesondere auf den Amok-/Notzugriff-Seminaren) haben mir nachdrücklich vor Augen geführt, daß in einer derartigen Lage vielfach ein Munitionsverbrauch auftritt, der oftmals deutlich unterschätzt wird. Hochstreß, Bewegung, eine dynamische Umgebung und ein zurückschießender Gegner sorgen dafür, daß die Trefferwahrscheinlichkeit im Realfall (und auch in einer entsprechend realistischen Simulation) deutlich schlechter ausfällt als auf dem Schießstand, und daß insgesamt deutlich mehr Schüsse abgegeben werden.

Man möchte also nun meinen, daß die Einführung der neuen Dienstwaffe in dieser Beziehung ihrem Träger eine deutliche Sicherheitsreserve verschafft. Weit gefehlt... die Profis vom Beschaffungswesen haben nämlich sogleich dafür gesorgt, daß dem hoffnungsfrohen Schutzmann dieser Zahn schnellstens gezogen wird. Man hat sich in diesen Kreisen nämlich messerscharf ausgerechnet: "Fünfzehn Schuß sind ja beinahe genausoviel wie die zweimal acht Schuß der alten Plempe... das reicht ja locker." Folgerichtig wurde aus Kostengründen das Reservemagazin für Einsatzkräfte außerhalb von Spezialeinheiten ersatzlos gestrichen. Stattdessen werden zukünftig einige zusätzliche Magazine als Pool auf der Dienststelle "für besondere Lagen" vorgehalten. Das ist natürlich eine fantastische Idee, weil besagte "besondere Lagen" ja bekanntlich die Eigenschaft haben, sich immer rechtzeitig anzukündigen.

Jenseits dieser unsäglich schlechten Milchmädchenrechnung gibt es aber noch ein weiteres Problem. Bestimmte Waffenstörungen machen es für ihre einsatzmäßige Behebung erforderlich, daß das Magazin ausgeworfen und fallengelassen und die Waffe mit dem Reservemagazin wieder geladen wird. Ist ein solches nicht vorhanden, kann der Anwender seine Waffe vor Ort entweder überhaupt nicht oder nur unter erheblichem Zeitverzug wieder einsatzbereit machen, was im Ernstfall lebensgefährlich sein kann.

Damit ist allerdings der Gipfel des Unsinns noch lange nicht erreicht. Aktuellen Pressemeldungen zufolge wird die Bundeszollverwaltung, die unlängst entschieden hat, ihre Einsatzkräfte anstelle der P6 zukünftig mit der Heckler & Koch P 30 auszustatten, ebenfalls nur ein Magazin pro Beamter beschaffen UND selbiges nur mit zwölf Patronen anstelle der möglichen fünfzehn füllen lassen. Es entzieht sich vollständig meinem Verständnis, wie man eine derartige Entscheidung treffen kann.

Hoffnung gibt mir hingegen, daß die Polizei Baden-Württenberg das Thema ihrerseits in einer Pressemitteilung aufgegriffen und verkündet hat, daß sie keinesfalls die Sicherheit ihrer Mitarbeiter für marginale finanzielle Einsparmöglichkeiten kompromittieren wird, und daß ein Reservemagazin zur Grundausstattung jedes Polizeibeamten gehört. Anscheinend haben nicht alle Beschaffer den Kontakt zur Praxis vollständig verloren.

Montag, 1. Dezember 2008

Erkältung

Immer, wenn du denkst, du hast langsam alles erlebt, kommt unter Garantie etwas um die Ecke, was dem Faß ein weiteres Mal den Boden ausschlägt... so auch in der polizeilichen Fortbildung. Neulich nacht spreche ich einen Kollegen von mir an und lege ihm nahe, die Gunst der (ruhigen) Stunde doch mal zu nutzen, um mit auf den Schießstand zu kommen und endlich mal wieder einen Trainingstermin wahrzunehmen. Wohlgemerkt, der Kollege hat nicht nur dieses Jahr noch nicht ein einziges Mal geschossen, sondern steht in unserem elektronischen Schießtrainingsnachweis überhaupt nicht drin. Man darf also mit Fug und Recht davon ausgehen, daß der gute Mann das letzte Mal mit seiner Dienstwaffe geübt hat, als der Trainer noch mit einer Schießkladde und einem Kuli herumrannte - was bei uns schon etliche Jahre her ist.

Es kommt natürlich, wie es kommen muß... der Kollege lächelt mich freundlich an und verkündet, das ginge nun leider gar nicht. Er sei nämlich erkältet, und wenn er beim Schießen nun einen Hustenanfall bekäme, sei ja nicht abzusehen, wo er überall versehentlich hinschießen würde. In einem unerwarteten Anfall von Diplomatie verzichte ich darauf, ihm zu erläutern, daß er in diesem Fall wohl kaum fahrtauglich ist und durch seine Autofahrt zum Dienst sicherlich den Tatbestand des § 315c Abs. 1 Nr. 1 b) StGB verwirklicht hat. Ich bin mir allerdings auch nicht sicher, ob er die Ironie verstanden hätte.

In diesem Zusammenhang fällt mir ein, daß mir neulich zufällig ein höchstrichterliches Urteil des US-amerikanischen Supreme Court in die Hände fiel, mit dem das Gericht den Begriff "failure to train" etablierte. Grob gesagt funktioniert das wie folgt: Schutzmann trifft Zwangsmaßnahmen gegen Bürger, der anschließend über ein irgendwie geartetes Aua jammert. Mittels eines windigen Winkeladvokaten verklagt der mündige Bürger nun... nicht etwa den Schutzmann (denn der hat ja nichts), sondern vielmehr die Behörde. Außerdem weist der besagte Winkeladvokat nach, daß die Behörde dem Schutzmann auf dem fraglichen Gebiet kein adäquates Training angedeihen lassen hat. Und KA-CHINGGG!!! Die Jury spricht dem Bürger 300 Trillionen Dollar Schmerzensgeld, Schadenersatz für entgangene Lebensfreude und Ausgleich für mangelnden Nachtschlaf zu und der Polizeichef und der Bürgermeister bekommen simultan eine Herzattacke.

Man mag über das amerikanische Zivilrechtssystem mit seinen monströsen Schadensersatzsummen, seiner jenseits jeglicher Vernunft befindlichen Haftungsgrundsätze und seinen von Laien gefällten Urteilen geteilter Meinung sein... aber zumindest führt es dazu, daß Polizeibehörden auf einmal ein Interesse daran haben, jeden einzelnen Beamten so fortzubilden, daß ihnen vor Gericht keine haftungsrechtlichen Versäumnisse vorgeworfen werden können.

Ich frage mich, ob der besagte Kollege auch erkältet gewesen wäre, wenn sein fortgesetztes Nichterscheinen beim Schießtraining von der Behörde (im Bewußtsein einer möglichen Haftung) mit einem Disziplinarverfahren und einer anschließenden Kürzung der Dienstbezüge belohnt würde. Meine Vermutung ist, daß ich in diesem Fall Zeuge einer mirakulösen Wunderheilung geworden wäre...

Mittwoch, 26. November 2008

Sparen

Unlängst las ich in einem amerikanischen taktischen Forum einen Vergleich, den ich ziemlich passend finde. Der Autor der fraglichen Zeilen schrieb sinngemäß folgendes: "Training ist wie Geld auf der Bank, das den Scheck deckt, den ich irgendwann im Notfall ausschreiben muß."

Diese Analogie hat bei näherer Betrachtung einiges für sich. Die meisten berufstätigen Menschen haben - wie ich selbst auch - heutzutage irgendeine Form von Sparplan, Lebensversicherung oder sonstiger Altersvorsorge. Und manchmal nervt es, daß die entsprechenden Geldsummen jeden Monat einfach so vom Konto verschwinden, ohne daß ich vordergründig im Moment etwas davon habe... denn jeder von uns würde insgeheim lieber losziehen und die zu sparenden oder zu investierenden Gelder für irgendwelche Konsumwünsche ausgeben.

Nichtsdestotrotz sparen wir dennoch, weil unsere Ratio uns sagt, daß wir womöglich zu einem späteren Zeitpunkt auf das Geld angewiesen sein werden und es dann für Dinge ausgeben müssen, die wichtiger sind als Luxusartikel - sei es unser Lebensunterhalt im Alter, ein plötzlicher medizinischer oder sozialer Härtefall, das Studium unserer Kinder oder was auch immer.

Im Grunde verhält es mit Training gar nicht so unähnlich. Regelmäßiges sinnvolles Training erhöht unsere Chancen, in einer Extremsituation einen kühlen Kopf zu bewahren, richtig zu reagieren und einigermaßen heil aus der Sache herauszukommen. Es vermehrt also unser körperliches und mentales "Kapital", auf das wir in einer derartigen Lage zurückgreifen können. Dieses Kapital spielt insbesondere für diejenigen eine Rolle, die sich von Berufs wegen regelmäßig in gewalttätige Konfliktsituationen begeben... Polizeibeamte, Soldaten, Sicherheitspersonal.

Ähnlich wie beim Sparen muß man sich aber mitunter überwinden, den kurzfristigen Komfort für langfristige Vorteile etwas zurückzustellen. Denn egal wieviel Spaß uns sportliche Betätigung, Fitnesstraining, Kampfsport, Selbstverteidigung, Schießen oder weitergehendes taktisches Training machen... jeder von uns kommt gelegentlich an einen Punkt, an dem er viel lieber auf der Couch sitzenbleiben würde, und an dem es eine gewisse Überwindung darstellt, trotzdem seinen Hintern hochzukriegen und zum Training zu gehen. Und viele Leute schätzen ihren persönlichen Komfort (und die Abwesenheit von Schweiß, Anstrengung, Muskelkater und blauen Flecken) so hoch, daß sie überhaupt nicht trainieren.

Ich frage mich allerdings, warum so viele meiner Kollegen es schaffen, erhebliche Beträge für ihre Altersvorsorge, ihr Eigenheim oder meinetwegen auch für ihr neues Auto anzusparen, gleichzeitig aber nicht in der Lage sind, ein regelmäßiges zielgerichtetes Training zu verfolgen. Ich persönlich empfinde die Aussicht, zum Krüppel geschlagen, abgestochen oder niedergeschossen zu werden, als deutlich unangenehmer als die Vorstellung, mit weniger Geld auskommen zu müssen oder in einem kleineren Haus zu wohnen. Anscheinend stehe ich mit dieser Ansicht alleine - denn anders kann ich mir nicht erklären, warum sich in derjenigen Gesellschaft mit dem besten sozialen Netz der Welt tatsächlich die Masse der Polizeibeamten mehr Sorgen um ihr finanzielles Wohlergehen als um ihre körperliche Unversehrtheit macht.

Werte Kollegen, das "Ansparen" von Training ist zwar mitunter etwas unkomfortabel und kostet etwas Zeit, aber wenn irgendwann der "Zahltag" da ist, werdet ihr dankbar über jedes bißchen "Kapital" sein, was ihr zusammengetragen habt. Denn wenn sich im Ernstfall euer "Scheck" als ungedeckt herausstellt und platzt, steht wesentlich mehr auf dem Spiel als der nächste Urlaub oder das neue Auto.

In diesem Sinne... fröhliches Sparen.

Mittwoch, 19. November 2008

Poetische Gerechtigkeit

Und es gibt sie doch... ganz gleich, ob man sie nun Gerechtigkeit, Karma, Schicksal oder Vorsehung nennt. Es begab sich unlängst in unserem Städtchen, daß drei osteuropäische Geschäftsleute aus einem recht florierenden Industriezweig ihres Heimatlandes (welcher die serienmäßige Übereignung von Geldbörsen ohne Wissen der ursprünglichen Eigentümer beinhaltet) in einem belebten Einkaufszentrum ihrem Beruf nachgingen. Unglücklicherweise werden sie dabei von einer aufmerksamen Zeugin beobachtet und unmittelbar darauf von der Polizei zu einer geschäftlichen Besprechung auf die Wache "eingeladen".

Zwei von ihnen werden vorläufig festgenommen, während der dritte, dem keine Tatbeteiligung nachgewiesen werden kann, wieder auf freien Fuß gesetzt wird. Als guter Geschäftspartner fährt er natürlich nicht ohne seine Mitarbeiter weiter, sondern setzt sich in ein Café, um dort bei einer Tasse Kaffee auf ihre (in Kenntnis der bundesdeutschen Justiz sicherlich zu erwartende) baldige Freilassung zu warten.

Leider hat unser aufstrebender Geschäftsmann die kriminelle Energie der Einheimischen unterschätzt... als er wieder zu seinem geparkten Auto zurückkehrt, ist die Scheibe eingeschlagen und sein Navigationsgerät entwendet. Empört über diese mangelnde Gastfreundschaft und die unsäglich schlechte Sicherheitslage in Deutschland, ruft er die Polizei, um diese schändliche Tat anzuzeigen. Man munkelt, daß der aufnehmende Beamte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen konnte...

Wir bringen ihn sicher rein...

... war der Slogan auf den Verpackungen der schönen polizeigrünen Kondome, die die Gewerkschaft der Polizei (GdP) vor einigen Jahren auf dem alljährlichen Großeinsatz anläßlich des Castor-Transports unter den Einsatzkräften verteilte. Schön, daß die Berufsvertretung der Fachleute für die öffentliche Sicherheit sich tatsächlich Gedanken über die Sicherheit ihrer Mitglieder in wirklich allen Belangen gemacht hat... und dieses Vegetieren in Containerdörfern während der gesamten Dauer des Einsatzes ist ja auch wirklich eine äußerst langweilige Angelegenheit.

Dieses Jahr gabs keine Verhüterli, aber wir haben ihn natürlich trotzdem sicher reingebracht (den Castor-Transport, meine ich). Spannend war es auch diesmal nicht, aber dafür durfte ein nicht geringer Teil der Einsatzkräfte statt im Containerdorf im Center-Parc nächtigen und sich von der dortigen Küche verpflegen lassen. Ich muß zugeben, daß ich noch nie eine derart gute Einsatzverpflegung genießen durfte...

Ich würde jetzt gerne noch etwas zur Strategie der Gesamteinsatzleitung, dem Erfolg oder Mißerfolg des Einsatzkonzeptes und der deeskalierenden Wirkung desselben schreiben... leider muß ich sagen, daß ich (als metaphorischer "Schütze Arsch") aufgrund des ziemlich schlechten Informationsflusses zur Basis während des Einsatzes keine Informationen aus erster Hand bekommen konnte. Die Tatsache, daß der Transport die Umladestation mehr als zwölf Stunden später als geplant verlassen hat, ist in meinen Augen allerdings schon relativ aussagekräftig.

Was ich hingegen mit Sicherheit sagen kann, ist, daß das Verständnis der eingesetzten Polizeibeamten für die Demonstranten mit jeder Stunde, die der Transport verzögert wird und die der einzelne Beamte voll aufgerödelt in der Kälte steht, abnimmt. Als wir am Ende unserer Einsatzphase nach fast vierzig Stunden endlich abgelöst wurden, war jeder von uns so weit, sich zu wünschen, daß die Gesamteinsatzleitung den Transport ohne Rücksicht auf Verluste durchprügelt. Dabei wird einem zumindest warm...

Samstag, 1. November 2008

Fortbildung

Nun ist es vorbei... das Polizei-Bundesseminar 2008 des Deutschen Ju-Jutsu Verband (DJJV). Wer es noch nicht kennt, sollte sich überlegen, nächstes Jahr mal teilzunehmen. Für die Kampfsportmuffel unter meinen geschätzten Lesern: es handelt sich nicht um ein JJ-Seminar im eigentlichen Sinne, sondern es geht ausschließlich um polizeispezifische Inhalte aus den Bereichen Eigensicherung (in jeglicher Form), Zugriffstraining und Einsatztaktik. Die Referenten sind überwiegend behördliche Einsatztrainer aus Polizei, Zoll, Justiz und Bundeswehr. Teilnahmeberechtigt sind ausschließlich Angehörige der o.g. Behörden (für die Bundeswehr nur Feldjäger und KSK).

Auch dieses Jahr boten die Referenten und Trainer wieder während des gesamten Wochenendes ein buntes Spektrum an Trainingseinheiten und Vorträgen zu den verschiedensten Themen an. Aufgrund der enormen Bandbreite (jeweils sieben bis acht parallel zueinander verlaufende Veranstaltungen) war buchstäblich für jeden Geschmack und jede Interessenlage etwas dabei... Festnahmetechniken, Selbstverteidigung, taktischer Einsatz diverser Einsatzmittel von der Taschenlampe bis zur Schußwaffe, Verhalten vor Gericht, Trainingsgestaltung, Kommunikation, you name it, they got it.

Herauszuheben ist besonders die gute und kollegiale Stimmung während des gesamten Seminars. Wer sich auch nur ansatzweise für das Thema Eigensicherung interessiert und mehr möchte als das, was dienstlich geboten wird, sollte sich dieses Seminarwochenende nicht entgehen lassen. Aber Vorsicht... es gibt jedes Mal deutlich mehr Anmeldungen als die 270 verfügbaren Seminarplätze. Der frühe Vogel fängt den Wurm.. also regelmäßig mal unter http://www.ju-jutsu.de/polizei.html nach der nächsten Ausschreibung gucken.

Samstag, 11. Oktober 2008

Night of the living dead

Wochenende, vier Uhr nachts... ein panischer Bürger ruft über Notruf an und meldet, daß auf der Party, auf der er gerade gewesen ist, ein Mann mit einer Axt aufgetaucht sei. Wir fahren mit mehreren Streifenwagen und Diensthunden zu der Anschrift, die sich als feinste Ghettolage in einer malerischen Sozialblocksiedlung entpuppt.

Der Anrufer erwartet uns schon an der Straßenecke und erklärt aufgeregt, er habe selbst gar nichts gesehen, aber der Gastgeber habe ihm zugerufen, es sei ein axtschwingender Eindringling aufgetaucht und er solle sofort die Polizei rufen. Wir nähern uns dem Haus, gehen durchs Treppenhaus hoch und betreten vorsichtig die offenstehende Wohnung im ersten Stock.

Im Flur kommt uns der Gastgeber entgegen, der ob meiner Dienstwaffe etwas konsterniert guckt und uns erklärt, es sei alles nicht so schlimm und der Eindringling sei schon wieder weg. Er wisse auch, wer es sei; es handele sich nämlich um seinen Nachbarn aus dem Nebenhaus. Der müsse von dem eigenen Balkon offensichtlich auf seinen Balkon geklettert sein, jedenfalls sei er plötzlich mit einer Axt in der Hand am Wohnzimmerfenster erschienen und habe dagegengeklopft. Anscheinend habe er sich dann auf demselben Wege wieder entfernt.

Wir flitzen also wieder die Treppe hinunter, ein Gebäude weiter zum Eingang des Nebenhauses und klingeln beim Nachbarn. Nachdem wir etwa fünfmal geklingelt und "Polizei!" gesagt haben und er die Sprechanlage etwa fünfmal aufgehangen hat, brummt der Summer schließlich doch. Wir gehen im Treppenhaus nach oben, wo es natürlich finster wie in einem Bärenarsch ist, weil sämtliche Glühbirnen kaputt sind.

Als wir im ersten Stock angekommen sind, öffnet sich die Wohnungstür und im Schein meiner Taschenlampe erblicke ich einen Menschen, der geradewegs aus einem ziemlich schlechten B-Horrormovie zu stammen scheint. Strähnige lange graublonde Haare, ein bleiches Zombiegesicht, eingefallener Körper... und zu allem Überfluß ist sein einziges Kleidungsstück ein fleckiges Unterhemd. Ich leuchte ihm mit den vollen 230 Lumen ins Gesicht und spreche ihn an, ohne daß er irgendeine Reaktion zeigt. Er starrt uns nur vollkommen verständnislos an. Auf einmal dreht er sich leicht und ich sehe plötzlich im Lichtkegel, daß er mit einem Fleischerbeil in der Hand vor uns steht.

Ich richte umgehend meine Waffe auf ihn, mein Partner tut das gleiche und Gebrüll hebt im Treppenhaus an. Glücklicherweise läßt der Zombie sein Hackebeilchen programmgerecht fallen und legt sich auf den Boden, wo er zunächst von meinem Partner und mir fixiert und gefesselt werden kann. Die Wohnung ist ein übles Dreckloch und voll mit irgendwelchem Müll.

Als ich den Zombie mit strenger Miene nach einer Erklärung für seinen Balkonstunt frage, fängt er erstmal zu stottern an und erläutert mir dann, daß er mit seinen Nachbarn in Streit liege und sich durch die lautstarke Musik ihrer Party in seinem Nachtschlaf gestört gefühlt habe. Er sei nur auf ihren Balkon geklettert, um sich darüber zu beschweren. Das Fleischerbeil habe er mitgenommen, weil er Angst gehabt hätte, ansonsten von ihnen zusammengeschlagen zu werden. Als es an seiner Tür geklingelt habe, sei er fest davon ausgegangen, daß es seine Nachbarn wären, die nun gekommen seien, um ihn fertigzumachen.

Ich erkläre ihm, daß man das Risiko, von anderen Leuten zusammengeschlagen zu werden, zuallererst dadurch verringern kann, daß man nicht uneingeladen auf ihren Balkonen herumklettert. Er hört mir angestrengt zu, aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob er diesen Gedanken nachvollziehen kann. Wir nehmen ihm sein Beil ab und fahren wieder weg in der Hoffnung, daß der Schreck gereicht hat.

Lektion für schlaflose Zombies: wenn man sich mit seinen Nachbarn streitet, gibts da so eine Nummer... die kann man anrufen und dann kommt der Onkel mit dem Streifenwagen zwecks Schlichtung. Das ist irgendwie besser als mit einem Beil nächtens von Balkon zu Balkon zu hangeln.

Lektion für Partylöwen: wenn morgens um vier auf einmal ein halbnackter Zombie mit Hackebeilchen an eurem Wohnzimmerfenster erscheint und sich beschweren möchte, dann wart ihr WIRKLICH zu laut.

Freitag, 10. Oktober 2008

Scheiterhaufen

Auch in Bremen haben die Ermittlungen weitere umfangreiche Erkenntnisse zum Tatplan ergeben. Die mittlerweile ermittelten vier tatverdächtigen Jugendlichen haben in ihren Vernehmungen angegeben, daß der Streifenwagen von ihnen unter einem Vorwand zum Tatort gelockt wurde. Ihr Plan sah wie folgt aus: ein Täter lenkt die im Fahrzeug befindliche Besatzung ab, indem er mit einem Schlagstock auf die Motorhaube einschlägt. Währenddessen wird von hinten die Heckscheibe des Wagens mit einem Gullydeckel eingeworfen und ein Molotow-Cocktail ins Fahrzeug geschleudert. Anschließend sollten die Dienstwaffen der verletzten oder getöteten Polizeibeamten entwendet werden.

Hintergrund der Tat ist anscheinend eine generell feindliche Haltung gegenüber der Polizei, die daraus resultiert, daß jeder der vier Täter bereits diverse Male polizeilich in Erscheinung getreten ist und deswegen zum Ziel polizeilicher Maßnahmen wurde... angefangen bei Schulschwänzerei bis hin zu Eigentums- und Gewaltdelikten (teilweise in deutlich zweistelliger Anzahl). Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verabredung zum Mord und hat bereits Haftbefehle beantragt.

Um es mal etwas prosaischer auszudrücken: vier kleine Zivilversager, die offensichtlich nicht mal einen Hauch vernünftiger Erziehung abbekommen haben, können "Mein" und "Dein" nicht unterscheiden, kriegen folgerichtig Ärger mit der Schmiere und sind darüber so verärgert, daß sie sich in ihrem gerechten Zorn entschließen, die nächstbesten beiden Polizeibeamten bei lebendigem Leibe abzufackeln? Das klingt eher nach Beirut als nach Bremen... und in solchen Momenten komme ich arg ins Grübeln, ob unsere NATO-Kumpels auf der anderen Seite des großen Teichs nicht doch die eine oder andere Sache genau richtig machen. Aus meiner Streifenwagenjockeyperspektive klingt "twentyfive to life" nämlich deutlich angemessener für eine solche Sache als das, was die Bengel nach deutschem Jugendstrafrecht vermutlich bekommen werden.

Nachahmung

Anscheinend macht das Kölner Beispiel langsam Schule. Wie die Süddeutsche Zeitung meldet, haben in der letzten Nacht erneut mehrere Täter versucht, durch einen fingierten Notruf eine Streifenbesatzung der Polizei in einen Hinterhalt zu locken, um gewaltsam gegen sie vorzugehen - diesmal in Bremen. Der Anrufer meldet telefonisch, er werde bedroht. Als die Kollegen eintreffen, versuchen die Täter, die Scheiben des Streifenwagens einzuschlagen. Zwei Täter können festgenommen werden; am Tatort werden später Molotow-Cocktails aufgefunden. Die Polizeibeamten werden glücklicherweise nicht verletzt.

Unter diesen Umständen sollte langsam wirklich bis zum letzten Kollegen durchgedrungen sein, daß man bei selbst jedem banalen Routineeinsatz mit allem rechnen muß und die Augen aufmachen sollte. Jeder von uns sollte sich darüber klarsein, daß er sich jeden Tag, wenn er die Uniform anzieht, selbst zur Zielscheibe für alle möglichen Leute macht, die mit der Polizei ein Hühnchen zu rupfen haben, und daß da draußen Menschen herumlaufen, die bereit sind, uns ohne mit der Wimper zu zucken alles mögliche anzutun... allein wegen unseres Berufes.

Und im vollen Wissen um diese Tatsachen die Entscheidung zu treffen, nicht regelmäßig zu trainieren, kann ich nur als grob fahrlässig bezeichnen.

Montag, 29. September 2008

Nachtrag

Wie sich inzwischen herausgestellt hat, lag ich mit meiner hier geäußerten Vermutung, daß die Täter im Kölner Hinterhaltsfall die Erbeutung von Dienstwaffen beabsichtigten, anscheinend goldrichtig. Die drei flüchtigen Täter sind mittlerweile ermittelt worden, befinden sich in Untersuchungshaft und haben in ihren Vernehmungen angegeben, daß sie den eingesetzten Polizeibeamten tatsächlich die Waffen abnehmen wollten. Es handelt sich um Jugendliche türkischer und iranischer Abstammung.

Was sie darüberhinaus noch ausgesagt haben, ist jedoch noch erschreckender. Sie haben nämlich übereinstimmend angegeben, daß sie sich dem Dschihad verpflichtet fühlen und die Absicht hatten, die beiden Polizeibeamten anschließend mit Messern lautlos und unauffällig zu töten und mit den erbeuteten Waffen Anschläge auf US-amerikanische Militäreinrichtungen in Heidelberg zu verüben.

Ich erspare mir weitere Kommentare dazu... bis auf etwas, das jeder Polizeibeamte zu seinem Mantra machen sollte... "Never, ever give up!"

Mittwoch, 24. September 2008

Hinterhalt

Im Oktober 1991 wurden im niedersächsischen Holzminden zwei Polizeibeamte mittels einer fingierten Verkehrsunfallmeldung in einen Hinterhalt gelockt und von den Tätern mit einem Sturmgewehr erschossen.

Heute, siebzehn Jahre danach, berichtet die Polizei Köln von einem ähnlich gelagerten Fall, bei dem glücklicherweise kein Polizeibeamter zu Schaden kam. Ein Anrufer meldet eine hilflose Person. Als die eingesetzte Streifenbesatzung sich der auf dem Fußweg liegenden männlichen Person nähert, springt diese auf, während gleichzeitig zwei weitere Männer aus dem Wald kommen und die Beamten mit Schußwaffen bedrohen. Die Beamten fordern die Täter auf, die Waffen abzulegen. Als diese der Aufforderung nicht nachkommen, geben sie zwei Warnschüsse ab, worauf die Täter flüchten und dabei mehrfach in Richtung der Polizeibeamten schießen. Später wird am Tatort eine Schreckschuß-Pumpgun gefunden.

Dieser Ereignisablauf zeigt in meinen Augen drei fundamental wichtige Dinge auf:

1. Es gibt keine Routineeinsätze... zumindest sollte man sein Möglichstes tun, um sie nicht als solche zu betrachten. Eine derartige unschöne Überraschung kann im Verlauf jedes Einsatzes auftreten. Jeder von uns sollte sich dazu erziehen, auch bei scheinbar belanglosen Einsätzen aufmerksam an die Situation heranzugehen, nichts als gegeben vorauszusetzen und seine Wachsamkeit niemals aufzugeben. Das ist schwierig, insbesondere wenn man schon ein paar Jahre Diensterfahrung hinter sich hat, aber es könnte eines Tages unsere Haut retten.

2. Eine Warnung ist in einer Notwehrsituation ein unnötiges Risiko. Wenn die Täter in dem vorliegenden Fall die Absicht gehabt hätten, die Polizeibeamten (wie seinerzeit in Holzminden) zu töten, hätte ihnen die Androhung des Schußwaffengebrauchs durch verbale Aufforderung und Warnschüsse womöglich genau die zwei, drei Sekunden an zusätzlicher Zeit gegeben, die sie gebraucht hätten. Im übrigen ergibt die rechtliche Würdigung, daß die meisten Polizeigesetze der einzelnen Bundesländer heutzutage die Androhung des Schußwaffengebrauchs nur dann fordern, wenn der Beamte sich dadurch nicht selber unverhältnismäßig gefährdet. Ich beglückwünsche die Kollegen zu dem guten Ausgang der Situation... aber in dem Moment, in dem ich mit einer Schußwaffe bedroht werde, ist die adäquate Reaktion meinerseits der sofortige Einsatz meiner eigenen Waffe in Verbindung mit einer sofortigen entschlossenen Bewegung in Deckung und aus der Angriffsrichtung heraus. Jedes Zögern kann sich fatal auswirken.

3. Die Schlußfolgerung liegt nahe, daß die Täter hier beabsichtigt haben, sich auf diese Weise scharfe Dienstwaffen zu verschaffen. Der Vorfall zeigt auf eindrucksvolle Art und Weise, daß es in einer derartigen Lage ein Kapitalfehler wäre, die eigene Waffe aufzugeben. Diese Grundregel sollte sich jeder Berufswaffenträger unauslöschlich einprägen. In der Vergangenheit hat es immer wieder Fälle gegeben, in denen Polizeibeamte in einer Bedrohungslage ihre Waffen und sich selber aufgegeben haben, und meistens ist es nicht gut ausgegangen. Wenn ich meine Waffe behalte und den Anweisungen des Täters nicht nachkomme, riskiere ich zwar eine Eskalation der Lage, aber ich behalte meine Handlungsfreiheit und meine Chance auf entschlossene Gegenwehr. Vielleicht werde ich dabei verletzt, vielleicht auch getötet, aber ich habe zumindest eine reelle Chance, den Ausgang der Situation in meinem Sinne zu beeinflussen. In dem Moment jedoch, in dem ich meine Waffe aufgebe, liefere ich mich buchstäblich der Gnade des Täters aus... ich mache mein Leben und meine Gesundheit vollständig von seiner Entscheidung abhängig, und das ist nicht akzeptabel bzw. mindert meine Chancen noch viel gravierender. In diesem Sinne meinen Respekt für die beiden Kollegen, die in dieser Situation das Richtige getan und sich gewehrt haben.

Sonntag, 21. September 2008

Getting off the X

Lieber Leser, markiere bitte einmal ein gut sichtbares "X" auf den Fußboden. Nun stell dich auf das X und bitte deinen Kumpel, dich aus einer Entfernung von einigen Metern überraschend mit etwas anzugreifen... einem Trainingsmesser aus Gummi, einer Softair-Pistole oder was auch immer (Disclaimer: falls du diese Aufforderung wörtlich nimmst und dabei keine Schutzausstattung benutzt, bekommst du von mir keinen Cent Schmerzensgeld).

Wenn dein Kumpel ehrlich mit dir ist und dich ernsthaft angreift, wirst du feststellen, daß du im Grunde nur dann eine (kleine) Chance hast, einigermaßen "lebendig" (im simulierten Sinne) aus der Situation herauszukommen, wenn du das X möglichst schnell und dynamisch in seitlicher oder schräger Richtung verläßt und während der Bewegung deine eigene Waffe ziehst und zum Einsatz bringst.

Warum das so ist, erklärt sich im Grunde von selbst. Für einen Ziehvorgang benötigt selbst ein gut trainierter Schütze unter optimalen Bedingungen mindestens eine Sekunde. Durch mangelndes Training oder ungünstige Startbedingungen kann sich diese Zeitspanne sehr schnell auf mehrere Sekunden verlängern. Bleibst du während dieser Zeit auf dem X stehen, bietest du für mindestens eine Sekunde (eher mehr) ein vollkommen stationäres Ziel. Und jeder, der sich auch nur ansatzweise mit Selbstverteidigung oder Einsatztraining beschäftigt hat, weiß, daß unter solchen Umständen eine Sekunde durchaus eine halbe Ewigkeit sein kann. Nutzst du diese Zeitspanne dagegen für eine entschlossene Ausweichbewegung, verringerst du die Zielsicherheit deines Gegners meßbar und zwingst ihn, sich neu zu orientieren.

Letztlich sollte bei der Abwägung der Frage, ob das Ausweichen oder das Einwirken auf den Gegner wichtiger ist, die fundamentale Tatsache berücksichtigt werden, daß es sich hier nicht um eine unbewaffnete Auseinandersetzung handelt, in der man bestimmte Treffer bewußt in Kauf nehmen und wegstecken kann, sondern daß wir über einen Angriff mit einer tödlichen Waffe reden und daß ein einziger Treffer bereits für uns das Aus bedeuten kann - für immer. Unter diesen Umständen muß man zwangsläufig zu dem Schluß kommen, daß der sofortige Schutz des eigenen Lebens durch Ausweichen eine höhere Priorität hat als das unverzügliche Einwirken auf den Angreifer.

Diese Reaktion verlangt natürlich ein gewisses Training, da es unter motorischen Gesichtspunkten nicht ganz einfach ist, aus einer schnellen Bewegung heraus zuverlässig auf seine Waffe zuzugreifen und einen sicheren Griff zu erreichen. Auch das Schießen aus der Bewegung ist etwas, das einige Übung verlangt. Und schließlich muß auf einer ganz grundlegenden Ebene erstmal der Automatismus "Ich werde angegriffen, also sehe ich zuerst zu, daß ich wegkomme" geschaffen und verankert werden. Ich gebe jederzeit zu, daß ich selber auch noch viel daran zu arbeiten habe.

Leider scheinen diese simplen (und äußerst einfach nachprüfbaren) Einsichten in der polizeilichen Aus- und Fortbildung überwiegend nicht angekommen zu sein. Der hauptsächliche Anteil des polizeilichen Schießtrainings beschäftigt sich mit der Zielsetzung, aus einer komplett stationären Position heraus die Waffe zu ziehen und zu schießen, ohne auch nur im Ansatz zu berücksichtigen, daß diese Handlungsweise im Ernstfall lebensgefährlich ist. Das höchste der Gefühle ist hier ein kleiner Alibi-Ausweichschritt nach dem Ziehvorgang, nach dem wieder gemütlich stehengeblieben und das Ziel in aller Ruhe mit Blei eingedeckt wird.

Getreu dem Sprichwort "Train as you fight because in the end you'll fight as you train" wird das aber unweigerlich dazu führen, daß die oben beschriebenen überlebenswichtigen Handlungsmuster im Ernstfall bei den Kollegen nicht vorhanden sein werden. Ein einsatzmäßiges Schießtraining, das ausschließlich vor einer zweidimensionalen Filmleinwand stattfindet, auf der lustige Videoszenarios ablaufen, fördert allenfalls Auge und Waffenhandling, nicht aber taktisch sinnvolles Verhalten.

Nun mag man einwenden, daß derartige Dinge ohnehin eher in den Bereich des Einsatztrainings gehören. Diese Überlegung ist tatsächlich insofern nicht ganz falsch, als daß diese Inhalte in letzter Konsequenz nur mit Simulationswaffen und menschlichen Trainingspartnern in einer dreidimensionalen Umgebung sinnvoll vermittelt werden können - zum Beispiel mit den im SET (Systemisches Einsatztraining) verwendeten FX-Trainingswaffen.

Die Problematik setzt sich allerdings darin fort, daß derartiges "technisches" Training, also das zielgerichtete Eindrillen von simplen, grundlegenden Handlungsmustern für Hochstreßsituationen durch eine hohe Wiederholungsfrequenz auch im SET nicht stattfindet. Leider erschöpfen sich die SET-Inhalte überwiegend in umfangreichen, komplexen Vollszenarios, deren Hauptziel es ist, die Fähigkeit zum Treffen von komplexen taktischen Entscheidungen zu schulen und in denen "handwerkliche" Basisfähigkeiten wie Schießen und Waffenhandhabung bestenfalls kurz an der Oberfläche angerissen werden. Das ist selbstverständlich auch eine wichtige Sache, aber auf diese Weise wird im Prinzip ein Großteil des Trainingspotentials, das das von meinem Bundesland für viel Geld beschaffte FX-Waffensystem theoretisch bietet, gedankenlos verschwendet bzw. bleibt ungenutzt.

Was dem interessierten Beamten in letzter Konsequenz bleibt, ist nur eins: in die einschlägige US-Fachliteratur zum Thema "Force-on-force Training" einsteigen, gleichgesinnte Kollegen suchen, sich zivil erhältliche Trainingswaffen (Softair, RAM o.ä.) beschaffen und sich außerdienstlich in Eigenregie um sein Training kümmern... auch wenns mit zeitlichem und finanziellen Aufwand verbunden ist.

Schade eigentlich... denn auf diese Weise werden die von mir angesprochenen Inhalte einen Großteil der Kollegen niemals erreichen.

Komplimente

Ein lebenserfahrener Mann schrieb einmal sinngemäß, einer Frau Komplimente zu machen sei ungefähr so ähnlich wie Topfschlagen in einem Minenfeld zu spielen. In Anbetracht der nachgewiesenen vollkommenen Unberechenbarkeit des schönen Geschlechts und seiner Neigung, sich zuweilen in einer Art und Weise zu benehmen, die bei uns (nämlich den normalen Menschen, die im Stehen pinkeln können) nichts als Fragezeichen zurückläßt, bin ich geneigt, dieser Ansicht mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit zuzusprechen.

Allerdings muß man der Fairness halber sagen, daß mancher Komplimentespender sich die Sache auch selbst unnötig schwer macht... zum Beispiel wie dieser junge Mann mit nahöstlichem Migrationshintergrund, nennen wir ihn mal M.

M. hängt neulich mit seinem Kumpel spätnachts am ZOB herum und erblickt eine Gruppe von Jungs und Mädels, die sich derselben Freizeibeschäftigung hingeben. Er entdeckt ein weibliches Geschöpf unter ihnen, das seine Aufmerksamkeit weckt, und beschließt sogleich, ihr kundzutun, wie sehr ihre Ausstrahlung, ihr Witz und ihr wacher Geist ihn faszinieren.

Okay, er hätte vielleicht vorher darauf kommen können, daß die Formulierung "Hey du! Du siehst voll geil aus, kannstu auch in Pornofilm mitmachen!" nicht unbedingt geeignet ist, um sie ihm gewogen zu machen. Spätestens aber hätte ihm das auffallen müssen, als einer der Begleiter der Dame ihn auffordert, derartige Unflätigkeiten zu unterlassen.

Es macht die Sache nun aber nicht unbedingt besser, daß M. und sein Kumpel diese Schwierigkeit dadurch auflösen, daß sie besagten Begleiter erst rund um den ZOB jagen, ihn anschließend niederschlagen und dann am Boden zusammentreten. Und daß unsere beiden Helden beim Eintreffen des ersten Streifenwagens sogleich ihr Heil in der Flucht suchen (und Schutzmann Schlau und Schutzmann Schneidig dadurch noch kurz vor Feierabend zum Dienstsport zwingen), trägt auch nicht gerade dazu bei, das Verhältnis zur Staatsmacht nennenswert zu verbessern.

Allerdings krönt unser M. die erbrachten gedanklichen Leistungen des Tages damit, daß er nach erfolgreichem "Getaway" zehn Minuten später wieder am Tatort angeschlendert kommt... gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie sein festgenommener Kumpel in den Streifenwagen gestopft wird. Dieses Highlight kann er auch dadurch nicht mehr überbieten, daß er sich heftig gegen die Kollegen wehrt, daraufhin einmal kräftig mit dem Gesicht auf dem Asphalt bremst und anschließend in Handschellen im Brustton der Überzeugung beteuert: "Ey, isch hab gar nix gemacht!"

Nun ja. Es ist anscheinend nicht jedem gegeben, gelungene Komplimente zu machen...

Dienstag, 26. August 2008

Has the edge gone dull?

Ist die Schneide stumpf geworden? Haben wir noch "the edge", das kleine, aber entscheidende Mehr an Reaktions- und Entscheidungsfähigkeit, Entschlossenheit und körperlichen Fähigkeiten, das uns im Ernstfall in die Lage versetzt, aus einer gefährlichen Situation unbeschadet wieder herauszukommen?

Diese Frage stellt sich der Autor dieses sehr bedenkenswerten Artikels in dem amerikanischen Polizeiportal Officer.com, über den ich neulich während meines üblichen Das-ganze-Internet-Querlesens gestolpert bin. Er spielt damit auf die Tatsache an, daß Fortbildung und Training in Polizeibehörden in vielen Fällen sehr schnell zu einer Pflichtübung werden, bei der nur das Erwerben einer formalen Qualifikation, die Erfüllung einer Kontrollübung oder Lernzielkontrolle eine Rolle spielen.

In Anbetracht des desolaten Zustands, in der sich die taktische Fortbildung in vielen Behörden befindet, muß ich leider zugeben, daß ich die Bedenken des Autors teile. Ich möchte an dieser Stelle gar nicht auf das reine Schießtraining eingehen; meine Meinung dazu habe ich bereits an anderer Stelle in diesem Blog umfangreich niedergelegt. Vielmehr möchte ich heute das Augenmerk auf die Tatsache legen, daß der gesamte Bereich Eigensicherung/Einsatztraining in meiner Behörde meiner Ansicht nach drastisch vernachlässigt wird.

Es ist ungünstig genug, daß die gesamte taktische Fortbildung nur noch zentral im Seminarrahmen auf PD-Ebene durchgeführt wird, was bei dem derzeitigen Stand der Trainingsressourcen dazu führt, daß selbst ein interessierter und engagierter Beamter, der sich aktiv um die Teilnahme an entsprechenden Trainings bemüht, bestenfalls ein- bis zweimal im Jahr die Gelegenheit dazu hat.

Verschlimmert wird die Angelegenheit allerdings noch dadurch, daß den vorhandenen Trainern in den letzten Jahren auch noch die Durchführung der Pflichtbeschulungen des gesamten Personals im Rahmen der "Amok"-Konzeption meines Bundeslandes aufgebürdet wurde, ohne durch entsprechenden Aufbau der Trainerkapazitäten die Aufrechterhaltung des restlichen Einsatztrainings zu gewährleisten.

In letzter Konsequenz ergibt sich daraus, daß die Polizei ihre Mitarbeiter nach außen hin als perfekt ausgebildete Profis für riskante Einsätze verkauft, ihnen aber gleichzeitig nur ein blankes Minimum an Trainingsmöglichkeiten zur Verfügung stellt. Im Grunde genommen ist das ein nicht hinnehmbarer Zustand... aber das ist noch lange nicht alles.

Der eine oder andere Kollegen mag nun einwerfen, das sei doch alles bekannt, und wer mit dem dienstlichen Training unzufrieden sei, müsse sich dann eben selber mal reinhängen und etwas auf die Beine stellen. Tatsache ist aber, daß Eigeninitiative in diesem Bereich regelmäßig durch die polizeieigene Bürokratie buchstäblich ausgebremst wird. Auf meiner Dienststelle wurde bereits mehrfach durch einzelne Kollegen der Versuch unternommen, auf örtlicher Ebene Einsatztrainings mit FX-Markierungswaffen durchzuführen (teilweise durch ehemalige SE-Angehörige mit umfangreicher Einsatzerfahrung). Das vorhersehbare Ergebnis: "Tut uns leid, aber das ist nicht vorgesehen, sowas dürfen nur SET-Trainer." Ich selber habe mehrfach um Dienstunfallschutz für private Trainingsvorhaben und die Entsendung zu externen Fortbildungsveranstaltungen gebeten. Sobald eine dieser Aktivitäten nicht der Erlaßlage für außerdienstlichen Sport (abschließende Aufzählung genehmigungsfähiger Sportarten, die im wesentlichen ein Standard-Breitensport-Programm darstellt), wurden sämtliche diesbezügliche Ansinnen mit der lakonischen Begründung "Liegt nicht im dienstlichen Interesse" abgelehnt.

Nun ja... ich bin verrückt genug, um gutes Training höher als bürokratische Hürden einzuschätzen, und ziehe notfalls eben auf eigenes Risiko ohne Dienstunfallschutz los. Allerdings dürfte ich mich damit wohl in einer sehr kleinen Minderheit befinden.

Nichtsdestotrotz will ich hier nicht die Schuld allein beim Dienstherrn suchen. Beim Schreiben dieses Beitrags ist mir klargeworden, daß sich die Problematik des "losing the edge" durchaus nicht nur auf den dienstlichen Bereich bezieht. Ich habe an mir selbst festgestellt, daß ich in den letzten Monaten in eine ziemlich eingefahrene und regelmäßige Trainingsroutine hineingeraten bin, die letztlich darin bestanden hat, in etlichen maßgeblichen Bereichen immer wieder dasselbe zu machen.

Nun ist der alte Spruch "Repetition is the mother of all skills" natürlich nach wie vor grundlegend wahr, aber andererseits hat die ständige stumpfe Wiederholung derselben Inhalte bei mir zu einem deutlichen Motivationsabfall geführt. Ich habe mich selbst dabei erwischt, daß ich mit der Zeit nur noch aus schlechtem Gewissen heraus zum Training gegangen bin und mir der Spaß daran auf schleichende Art und Weise verlorengegangen ist.

Deswegen werde ich meine Trainingsgestaltung dahingehend ändern, daß ich mich in anderen Themenbereichen umsehen, mit neuen Leuten trainieren und vor allem mein regelmäßiges Vereinstraining mit verschiedenen kleinen Heimtrainingseinheiten "würzen" werde... ein bißchen Trockentraining mit der Waffe vor dem Essen, ein paar Ziehvorgänge nach Feierabend, eine Runde mit Einsatzkoppel und Blue-Gun am Sandsack, je nach Laune und Zeit. Vermutlich ist es einfach mal wieder an der Zeit, alte Routinen aufzulösen und neue Sachen auszuprobieren. Ich bin gespannt, was sich daraus alles ergeben wird.

Sonntag, 17. August 2008

Ein Offizier und Gentleman

Für die Nichtpolizisten und -juristen ein Hinweis zu Beginn: die strafrechtliche Untergrenze für Trunkenheit im Verkehr bei Fahrradfahrern liegt bei exakt 1,6 Promille. Wer drüber ist und sich erwischen läßt, wird in die Schutzmannshöhle geschleift, vom Onkel Doc gezapft und dafür mit einer Strafanzeige belohnt.

Diese Tatsache dürfte in einem unlängst geschehenen Fall in der jungen Liebe eines Pärchens in unserer schönen Stadt für einige Verstimmung gesorgt haben. Die besagten innig vereinten Liebenden fahren mit dem Rad durch die Stadt. Aus irgendeinem Grund erregt der Herr plötzlich die polizeiliche Aufmerksamkeit eines anwesenden Schutzmanns und wird einer Alkoholkontrolle unterzogen. Der freiwillige Atemalkoholtest mit dem mobilen Pustefix zeigt ein Ergebnis von 1,3 Promille, was den Herrn zu großer Erleichterung und Fröhlichkeit veranlaßt.

Als die Kollegen sich jedoch von dem Pärchen verabschieden wollen, ruft der junge Mann in seinem Überschwang plötzlich aus: "Ey, wenn ich pusten muß, soll meine Freundin aber auch ran!" Die Kollegen gucken sich zweifelnd an, die Freundin grinst und man beschließt gemeinsam, dem Wunsch des jungen Romeos zu entsprechen.

Dingding!! 1,61 Promille und ein Trip für die Dame zur Dienststelle zwecks Blutprobenentnahme. Ich schätze, der arme Mann wird für die nächsten zehn Jahre keinen Sex mehr haben.

Donnerstag, 14. August 2008

Man kann nicht mit ihnen, man kann nicht ohne sie...

Werte Leserinnen und Leser,

man möge mir bitte nachsehen, daß ich schon seit nunmehr zehn Tagen keine humorigen Beiträge aus der bunten Schutzmannswelt mehr verfaßt habe... mein in letzter Zeit leidlich chaotisches Privatleben hat mich davon abgehalten. Das schöne Geschlecht beweist gerade wieder einmal, daß es zwar völlig unverzichtbar und wunderbar ist, gleichzeitig aber auch mitunter für mehr Streß als eine mobile Geisellage auf einem in Richtung Grenze fahrenden Gefahrguttransport sorgt.

Ich verspreche, daß ich mein Versäumnis baldmöglichst nachholen werde. Aber das wirkliche Leben hat nunmal eine höhere Priorität als meine virtuelle Alleinunterhaltertätigkeit.

Montag, 4. August 2008

Schneller als sein Schatten

Jeder, der eine deutsche Polizeiausbildung absolviert hat, dürfte vermutlich zu irgendeinem Zeitpunkt von irgendeinem Ausbilder diese altbekannte und gern wiedergekäute "Weisheit" vorgesetzt bekommen haben... "Laßt die Waffe im Holster; wenn ihr die Hand an der Waffe habt, seid ihr genauso schnell wie wenn ihr die Waffe in der Hand haltet."

Ich habe diese Aussage schon lange für sehr zweifelhaft gehalten und mir deswegen letzte Woche mal die Mühe gemacht, ihre Unrichtigkeit umfassend nachzuweisen. Nach einigen hundert Schuß und etlichen DIN-A4-Seiten voller Zahlenreihen stand fest: der zeitliche Unterschied der benötigten Zeit vom Startsignal bis zum gezielten Schuß zwischen diesen beiden Varianten ist nicht nur meßbar, sondern teilweise sogar beträchtlich.

Selbst unter optimalen Bedingungen (ruhiger, gut beleuchteter Schießstand, kein Entscheidungsdruck, kein Streß, Kenntnis des Übungsablaufs, Holster geöffnet, Waffe bereits im Holster angehoben, kürzeste Schußentfernung) beträgt der Unterschied noch mehr als eine halbe Sekunde. Bei komplexeren Aufgaben (Ziehvorgang bei geschlossenem Holster ohne Hand an der Waffe) steigerte er sich auf über eine Sekunde. Es bedarf keiner prophetischen Gabe, um vorauszusagen, daß die Rahmenbedingungen im Ernstfall vermutlich noch deutlich ungünstiger aussehen dürften und im Einzelfall zu Ziehzeiten von mehreren Sekunden führen können.

Um die zeitlichen Abläufe mal in ein anschauliches Verhältnis zu stellen: der sattsam bekannte sogenannte Tueller-Drill hat gezeigt, daß in der Zeit, in der ein einigermaßen brauchbarer Schütze unter optimalen Bedingungen ohne Vorbereitung seine Waffe ziehen und einen Schuß abgeben kann (~1,5 Sekunden), ein Angreifer aus dem Stand die Strecke von etwa sieben Metern zurücklegen kann. Natürlich läßt sich diese Erkenntnis nicht 1:1 auf tatsächliche Handlungskonzepte umsetzen, weil die Optionen des Beamten ja nicht auf "Stillstehen und Waffe ziehen" beschränkt sind, aber als "Laborexperiment" führt es die situationsrelevanten Weg-Zeit-Verhältnisse recht eingehend und dramatisch vor Augen und zeigt, daß eine Sekunde mehr oder weniger in gewalttätigen Konflikten einen gewaltigen Unterschied machen kann.

Unter diesen Umständen müssen wir uns überlegen, ob die oft betriebene Praxis, unsere Waffe prinzipiell im Holster zu belassen und nur bei einer festgestellten definitiven Bedrohung zu ziehen, in jeder Situation angemessen ist, oder ob wir uns im Fall eines überraschend auftretenden Angriffs damit nicht eventuell unnötigen Gefahren aussetzen. Wir sollten dabei nicht vergessen, daß wir als die "reagierende" Seite einem von sich aus "agierenden" Angreifer gegenüber ohnehin schon zeitlich gewaltig im Nachteil sind.

Samstag, 2. August 2008

Wehe, wenn sie losgelassen

Das schöne Geschlecht kann manchmal ganz schön anstrengend sein. Nein, liebe Leserinnen, euch meine ich natürlich nicht, zumindest nicht mit "anstrengend". Tatsächlich kann das weibliche polizeiliche Gegenüber aber manchmal um einiges stressiger und unberechenbarer sein als sein männliches Pendant. In letzter Zeit sind mir etliche Kollegen aufgefallen, die angemerkt haben, daß immer mehr Widerständler junge Mädels sind. Hier ist eins der Erlebnisse, die zu dieser Ansicht geführt haben...

Neulich nacht ruft jemand über Notruf an und meldet, daß im X-Weg mehrere Personen auf dem Boden liegen. Da wir gerade nichts zu tun haben, fahren wir sicherheitshalber mit zwei Wagen plus Hundeführer an und finden eine Gruppe junger Leute vor. Auf dem Boden liegt niemand und was genau passiert ist, weiß auch keiner. Das ist aber auch egal, weil das Theater gleich weitergeht... eine junge Dame flüchtet bei unserem Eintreffen panisch in die nächste Seitenstraße.

Während wir mit den Kids sprechen und dabei feststellen, daß eigentlich gar nichts gewesen ist, kommen die Hundeführer mit der flugs wieder eingefangenen Nachwuchssportlerin zurück. Die Dame ist im zarten Alter von 15 Jahren völlig besoffen und wechselt nahtlos und ständig zwischen wüsten Beschimpfungen in unserer Richtung und leidenschaftlichen Umarmungen ihres Begleiters (den sie laut ihrer relativ nüchternen Freundin gerade zwei Stunden kennt). Als meine Kollegin gerade ihre Daten aufschreibt, rupft Fräulein ihr auf einmal den Ausweis aus der Hand und will stiften gehen. Sie kommt ca. einen Meter weit und bewegt sich dann etwas unsanft in die Horizontale, wobei sie von zwei Kollegen assistiert wird. Ihr Begleiter hebt die übliche Tirade von wegen "blabla... keine Schwerverbrecher... rhabarber... Polizeigewalt" usw. an, während meine Kollegin ihm das Prinzip des Waldes erklärt, aus dem es so herausschallt, wie man reinruft.

Wir verkünden den Anwesenden, daß wir die beiden minderjährigen Mädels nach Hause fahren und den Eltern übergeben werden. Das nimmt die Liebhaberin geistiger Getränke zum Anlaß, eine neue Bestzeit auf 100m aufzustellen. Unglücklicherweise (für sie) legt meine Kollegin eine noch bessere Zeit hin und holt sie kurz vor der Ziellinie erneut von den Beinen. Zwei weitere Kollegen springen mit ein, und es hebt ein lustiges Ringelpiez mit Anfassen an, weil sich die junge Dame partout nicht in den Streifenwagen setzen möchte. Stattdessen schlägt, tritt, kratzt und spuckt sie um sich wie eine Furie und entwickelt dabei nicht nur erstaunliche Kräfte, sondern auch eine Lautstärke auf Feuerwehrsirenen-Niveau in Kopfschmerz erzeugenden Frequenzbereichen. Außerdem nimmt sie einen kräftigen Bissen Kolleginnenarm, der laut späterer ärztlicher Untersuchung sowohl den Nerv als auch die Sehne erwischt. Es spricht für die Selbstbeherrschung der Kollegin, daß sie dem kleinen Fratz nicht auf der Stelle eine ballert.

Der Streifenwagen fährt los und ich kann selbst von draußen aus meterweiter Entfernung bei laufendem Motor noch das Gekreische der hysterischen Furie hören. Funkverständigung mit dem betreffenden Wagen ist verständlicherweise nicht mehr möglich. Später erfahre ich, daß das Mädel die halbe Inneneinrichtung des Streifenwagens zerlegt hat.

Als wir auf der Auffahrt des elterlichen Anwesens aussteigen, geht es gleich weiter. Unsere Vorzeigeathletin schnappt sich sogleich den neugierig auf uns zu laufenden elterlichen Hofhund (ein Kalb von mindestens einem Meter Stockmaß), schiebt ihn in unsere Richtung und brüllt mit überschlagender Stimme: "Faß, Theo, faß!" Theo ist augenscheinlich ein eher friedlicher Vertreter, denn er guckt sein Frauchen nur verwirrt an und bellt ein paar Mal zur Begrüßung. Das ist auch besser so, denn mein Kollege, der mittlerweile am Ende seiner Geduld angekommen ist, stellt der jungen Dame mit deutlichen Worten einen Schußwaffengebrauch in Aussicht, wenn sie nicht auf der Stelle den Hund wegnimmt.

Als die Eltern erscheinen, fallen sie buchstäblich aus allen Wolken und wir bekommen die übliche "Oh mein Gott, so kennen wir unsere Kleine ja überhaupt nicht..."-Story zu hören. Zu ihrer Ehrenrettung sei gesagt, daß sie sogleich anfangen, ihrem renitenten Nachwuchs gehörig den Kopf zu waschen. Leider beeindruckt dies selbigen nicht im geringsten. Stattdessen spuckt der Nachwuchs wild in der Gegend herum, unternimmt einen weiteren Fluchtversuch und simuliert schließlich einen Krampfanfall, um anschließend dem Kollegen mit Inbrunst vor das Schienbein zu treten.

Da nach Angaben der Freundin noch ein drittes Mädchen mit den beiden unterwegs war, überlassen wir die beiden Abenteurerinnen den Eltern unserer Widerständlerin und machen uns auf die Suche. Eine gute Stunde angestrengter Suche im Stadtgebiet, an diversen bekannten Anlaufadressen und auf allen kleinen Feldwegen in der Umgegend bleibt erfolglos, und langsam fangen wir an, uns ernsthaft Sorgen zu machen. Plötzlich bekommen wir einen Anruf... die Dritte im Bunde ist mittlerweile auch bei ihren beiden Freundinnen eingetroffen, und wir fahren nochmal hin, um ihr die Leviten zu lesen. Es stellt sich heraus, daß sie sich bei unserem ersten Erscheinen vor Angst im nächsten Garten versteckt, sich dann nach unserer Abfahrt auf den Weg zum Hof ihrer Freundin gemacht hat und jedes Mal, wenn sie aus der Entfernung unseren Streifenwagen gehört oder gesehen hat, ins nächste Gebüsch gehüpft ist.

Ich schüttele entnervt den Kopf, zeige ihr mal einige unschöne Konsequenzen auf, die das nächtliche Herumlungern in den weniger guten Gegenden unserer Stadt für betrunkene vierzehnjährige Mädchen haben kann, und stelle zu meiner Befriedigung fest, daß sie etwas blaß um die Nase wird. Ob der Schreck wohl lange vorhält? Ich würde keine Prognose abgeben wollen.

Nach drei Stunden ist endlich Einsatzende und wir fahren rein. Ich äußere meine Dankbarkeit darüber, nicht der Vater einer Tochter in diesem Alter zu sein. Mein Kollege hustet nur, guckt weg und grummelt etwas unverständliches...

Donnerstag, 24. Juli 2008

Happiness is a warm gun

Nach längerer Trainingsabstinenz war ich gestern endlich mal wieder auf dem Schießstand zum IPSC-Schießen. Leider hatten mich in letzter Zeit einige ungünstig gelegte Spätdienste davon abgehalten, regelmäßig im Verein zu erscheinen. Zu meiner nicht ganz unerheblichen Befriedigung klappte trotzdem alles noch ziemlich gut.

Gleichzeitig waren noch zwei Freunde von mir, die gestern das erste Mal eine Waffe in der Hand hatten, und zwei Schützen aus meinem Verein, die erst vor kurzem zur IPSC-Gruppe hinzugestoßen sind, auf dem Stand. Während ich ihnen beim Schießen zusah und ihre Erfolge und Mißerfolge beobachtete, fiel mir plötzlich auf, daß ich gerade Zeuge derselben Fehler, Versuche und Anstrengungen wurde, die ich selber seinerzeit gemacht hatte, und ich begann über meine eigene schießtechnische Entwicklung nachzudenken.

In meinen ersten Schützenverein hatte mich seinerzeit das unbestimmte Gefühl geführt, daß die polizeiliche Schießausbildung, die ich genossen hatte, massive Lücken aufwies und das Ausmaß der Fortbildung einfach nicht ausreichend war, um ernstzunehmende Kompetenz mit der Schußwaffe zu entwickeln. Vom reinen statischen 25m-Scheibenschießen verschlug es mich dann nach ein paar Jahren zum IPSC-Schießen, und das war der Zeitpunkt, wo ich ernsthaft begann, etwas über praktisches Schießen zu lernen. Ich war sofort begeistert.

Seitdem bin ich "hooked" und habe dabei mehr über die grundlegende Mechanik des Schießens, über sichere Waffenhandhabung in allen Lebenslagen, über Schießen unter Zeitdruck, aus ungewohnten Positionen, unter körperlicher Anstrengung und unter Streß gelernt als in jeder dienstlichen Schießveranstaltung, an der ich jemals teilgenommen habe. Vor allem aber habe ich gelernt, daß ernstzunehmende Schießfertigkeiten erst dann entstehen, wenn die Waffe Teil des eigenen Körpers wird... und ich habe gelernt, wieviel Trainingsaufwand, Zeit und Wiederholung dieses Ziel erfordert.

Leider ist das in aller Regel (nämlich außerhalb von Spezialeinheiten) weit mehr, als der Dienstherr seinen Beamten zugesteht. Insofern steht für mich als zentrale Erfahrung meiner bisherigen schießsportlichen Betätigung fest, daß man als Polizeibeamter, der über den Dienst hinaus seine Schießfertigkeiten verbessern will, unter den in Deutschland herrschenden waffenrechtlichen Bedingungen beim IPSC mit Abstand am besten aufgehoben ist. Natürlich ist IPSC kein kampfmäßiges Schießen und beinhaltet weder taktische Inhalte noch die Simulation von Einsatzsituationen. Es stellt lediglich eine ständig variierende Reihe von hochanspruchsvollen Schießaufgaben mit wettkampfsportlichem Charakter dar. Aber die hier trainierten reinen Schießfertigkeiten und Handhabungssicherheit sind an sich schon unbezahlbar für jeden Berufswaffenträger.

Jeder Kollege, der mit dem Ausmaß des dienstlichen Schießtrainings unzufrieden ist, möge mal überlegen, ob dies nicht eine zusätzliche Möglichkeit für ihn sein könnte.

Mittwoch, 23. Juli 2008

Auch DU bist Jack Bauer

Wie allseits bekannt sein dürfte, ist das Fernsehen (bzw. wahlweise auch die bösen Computerspiele) an allem Schlechten in der Welt schuld. In diesem Fall vermutlich beides. Vorweg gesagt: ich muß an dieser Stelle zugeben, daß ich als bekennender Fan von guten Actionthrillern ein Faible für Filme habe, in denen der Held sich nachts im Dustern in die strengstens bewachte Festung des Bösewichts schleicht, um die hochwichtige Daten zu klauen/das Ding in die Luft zu jagen/die Geisel zu befreien/dem Schurken das Lebenslicht auszupusten. Wer am PC gerne mal Splinter Cell, Deus Ex oder Metal Gear Solid zockt, weiß, wovon ich rede... Fans von "24" sowieso.

Ich habe allerdings nie den Versuch unternommen, diese spaßigen Vorstellungen in die Tat umzusetzen - im Gegensatz zu unserer kleinstädtischen Jugend. Neulich nacht meldet eine unserere Streifen, daß anscheinend jemand in den städtischen Bauhof eingebrochen ist. Kurze Zeit später werden zwei flüchtende Personen gesichtet. Mein Partner und ich klinken uns in die Fahndung ein und tatsächlich tauchen sofort drei Jungs auf Fahrrädern vor uns auf, die mächtig in die Pedale treten. Am Ende der Straße schlängeln sich zwei von ihnen durch den Durchgang zur Nachbarstraße, wo sie von den Kollegen der dritten Streife wärmstens in Empfang genommen werden. Der dritte Nachwuchssportler biegt ins Wohngebiet ab, ich springe aus dem Auto und sprinte ihm hinterher.

Ungünstigerweise hat sich unser kriminelles Mastermind eine Sackgasse ausgesucht, an deren Ende ihm nur noch die Flucht über das Hintergrundstück durch die Gärten bleibt. Anhand empirischer Beweisführung kann nunmehr ein für alle Mal geklärt werden, daß man mit dem Fahrrad durch die Hecken langsamer ist als der Schutzmann auf Schusters Rappen. Wir nehmen die Jungs (die gerade schlappe 16 sind) mit zur Dienststelle.

Als wir ihre Sachen durchsuchen, muß ich grinsen... der Rucksack meines Flüchtlings ist vollgestopft mit allem, was man so für das Eindringen in eine sowjetische Atomraketenbasis oder in ein südamerikanisches Terroristencamp braucht. Bolzenschneider, Beil, Isolierzange, Handschuhe, diverse Seile... sogar ein Nachtsichtgerät mit Infrarotscheinwerfer ist dabei. Nur die schallgedämpfte MP fehlt noch. Ich frage den Nachwuchs-James-Bond, wo er das Ding herhat. Leicht geknickt berichtet er, daß er das Ding für sage und schreibe 150 Euro bei LIDL gekauft habe. Ich schmunzele und stelle mir belustigt vor, wie ich das nächste Mal bei ALDI neben Mineralwasser, Nudeln und Joghurt noch ein Laserzielgerät oder ein paar Blendgranaten aufs Band lege.

Nun ja. Wer sich beim Einbruch in die städtische Garagen und Lagerhallen von ein paar Kleinstadtpolizisten erwischen läßt, sollte das mit der Infiltrierung von Atomraketenbasen oder Terroristencamps lieber doch erstmal bleibenlassen. Man munkelt allerdings auch, daß im städtischen Bauhof die Anzahl der Atomraketen und Terroristen eher überschaubar ist.

Alkohol und Autos

Alkohol und Autos sind eine ziemlich schlechte Kombination, wie ein Blick in die Tagespresse an irgendeinem beliebigen Tag lehrt. Sie führt nämlich mitunter zu einer unschönen und oft irreversiblen Kaltverformung von Maschine und Mensch. Man kann also mit einer gewissen Berechtigung sagen: wer besoffen fährt, ist blöd.

Nur unwesentlich weniger schlecht ist die Kombination von Alkohol, Autos und Polizei. Selbige hat nämlich im Regelfall ein breites Grinsen beim Schutzmann (bei jüngeren Kollegen auch gerne durch einen kräftigen High Five ergänzt), eine klingelnde Kasse beim Arzt und eine Anzeige für den grummelnden Nunmehr-Fußgänger zur Folge.

Erst recht blöd ist also jemand, der sich diesen Ärger auch noch freiwillig antut. Lektion: falls ihr zufällig Tankstellenpächter seid, die Polizei zu nachtschlafender Zeit bei euch anruft und euch bittet, mal eben herzukommen und die fehlerhaft ausgelöste Alarmanlage eurer Tanke abzuschalten, lohnt es sich, die Karre stehenzulassen, wenn ihr voll des guten Weines seid und eine Fackel bis nach Meppen habt. Wirklich. Wir riechen das nämlich.

Donnerstag, 17. Juli 2008

Ich hab meinen Turnbeutel vergessen...

So hieß es früher in der Schule immer, wenn jemand nicht am lästigen Sportunterricht teilnehmen wollte. Ist ja auch total blöd, unter den gestrengen Augen des Lehrers solche spannenden Spiele wie Brennball und Völkerball spielen zu müssen... und das auch noch mit *ächz* Mädchen. Dabei könnte man die Zeit doch viel besser damit zubringen, mit seinem Kumpels hinten im Hof zu kicken.

Anscheinend gibts diese Mentalität auch unter erwachsenen Polizeibeamten immer noch. Zumindest drängt sich mir der Gedanke auf, wenn ich mir die Bereitschaft meiner Kollegen anschaue, regelmäßig am dienstlichen Schießtraining teilzunehmen. Ich habe heute sechs Stunden damit zugebracht, unser turnusmäßiges Schießtraining zu leiten. Das heißt, eigentlich habe ich eher fünf (!!) Stunden damit zugebracht, Däumchen zu drehen und darauf zu warten, daß Trainingsteilnehmer in der Raumschießanlage erscheinen. In sechs Stunden taten das aus dem Früh- und Spätdienst insgesamt ganze drei (!!) Leute.

Es ist schlimm genug, daß bei der Polizei generell zuwenig geschossen wird. Die klamme Landeskasse setzt Limits für vorhandene Trainingsmunition (die so gering bemessen sind, daß ein durchschnittlicher Sportschütze das Jahressoll eines Polizeibeamten im Verlauf eines ausgedehnten Trainingsabends im Verein locker wegschießt), und die Führung zeigt nicht das geringste Interesse daran, zumindest die Einhaltung dieser minimalen Trainingsanforderungen zu kontrollieren. Tatsächlich sehe ich unter den 70+ Beamten meines Dienstbereiches immer wieder dieselbe Handvoll Gesichter beim Schießtraining.

Es ist aber erst recht peinlich, daß diejenigen, die sich buchstäblich nie unten im Schießkeller blicken lassen, keine Gelegenheit auslassen, um zu verkünden: "Hach ja, ich wäre ja schon längst mal schießen gegangen, aber es kommt immer was dazwischen... und dann ist da ja noch diese lästige Dienstplanung im Schichtdienst..."

Hallo, gehts noch? Es ist verdammt noch mal euer Job, regelmäßig auf dem Schießstand zu erscheinen. Ihr tragt von Berufs wegen eine Waffe... und zwar jeden Tag, acht Stunden lang. Wenn immer was dazwischen kommt, ist das eure Schuld, denn die Trainingstermine stehen mit dicker roter Schrift im Kalender. Das Problem ist nicht die Dienstplanung, sondern die Tatsache, daß ihr zu bequem seid, ab und zu mal eine zusätzliche Stunde (bezahlten!!) Dienst dranzuhängen und die paar Treppen runter in die Schießanlage zu steigen.

Es vergeht mittlerweile fast kein Monat mehr, ohne daß irgendwo in Deutschland ein Polizeibeamter seine Schußwaffe benutzen muß, um Schaden von sich und anderen abzuwenden. Wer unter solchen Umständen nicht regelmäßig und ernsthaft trainiert, handelt in höchstem Grade verantwortungslos. Schießen ist ein "perishable skill", und daß ihr in der Ausbildung natürlich alle mal ganz tolle Scharfschützen gewesen seid, bedeutet drei, fünf oder zehn Jahre später einen Scheißdreck.

Ich hoffe inständig, daß ich niemals meinem Dienststellenleiter auf die Frage antworten muß, wieviele Schießtermine PK Schlau und PK Schneidig aufzuweisen haben und wieviele es eigentlich hätten sein sollen. Aber noch viel mehr hoffe ich, daß ich nicht in der Nähe sein werde, wenn sich der bittere Grund für eine derartige nachträgliche Frage auftut.

Freitag, 11. Juli 2008

Alte Schule

Anscheinend gibt es auch noch gutes Benehmen und Etikette unter Straftätern. Folgende Episode trug sich unlängst in unserem Städtchen zu...

Ein junger Mann betritt (augenscheinlich zu allem entschlossen) ein Modegeschäft, bedroht die Betreiberin mit einem Messer und verlangt von ihr: "Ey, gib mir sofort deine ganze Kohle!" Das beabsichtigte Raubopfer mag sich aber nur ungern von seinen Barmitteln trennen und antwortet deshalb sicherheitshalber erstmal mit "Nein!"

"Oh... ähm, dann entschuldige bitte..."

Sprachs und verließ das Geschäft wieder. Der Kommentar des Opfers ist nicht überliefert. Man darf aber wohl davon ausgehen, daß der Versuch des Täters, einen möglichst bedrohlichen Eindruck zu erwecken, ziemlich in die Hose ging.

Dienstag, 8. Juli 2008

Bazis und Jecken

Es ist soweit... im Münchner "U-Bahnschläger-Prozeß" ist das Urteil gesprochen und das Strafmaß verkündet worden. Ich als Schutzmann (der ja bekanntlich schon von Berufs wegen chronisch unzufrieden mit dem Umgang der deutschen Justiz mit unseren Kunden ist) kann dem Gericht in diesem Fall tatsächlich nur Beifall spenden. Zwölf Jahre wegen versuchten Mordes gabs für Serkan A., achteinhalb Jahre für seinen Mittäter Spyridon L.

Neben diesem ungewohnt konsequenten Strafmaß ist vor allem positiv anzumerken, daß das Gericht entschieden hat, auf den zur Tatzeit zwanzigjährigen Serkan A. das Erwachsenenstrafrecht anzuwenden. Außerdem soll nicht unerwähnt bleiben, daß die Richter sich von dem Einwand der Verteidigung, Serkan A. sei durch "rassistische Äußerungen" des 76-jährigen pensionierten Lehrers "provoziert worden", nicht beeindrucken ließen. Jeder, der länger als ein paar Monate auf der Straße gearbeitet hat, weiß aus eigener Erfahrung, daß es in bestimmten kriminologisch vorbelasteten Problemmilieus zum guten Ton gehört, im Umgang mit staatlichen Institutionen sofort die Rassismuskarte zu spielen. Das kollektive schlechte Gewissen der Deutschen scheint derartiges Verhalten zumindest in hinreichendem Maße zu belohnen. Um so begrüßenswerter ist es, daß selbige Karte offensichtlich auch und gerade in hochkarätigen Verfahren nicht pauschal für bare Münze genommen wird.

Offen bleibt für mich am Ende nur noch, wie es angehen kann, daß in München so ein konsequentes und tatangemessenes Urteil gesprochen wird, während ein ähnlich gelagerter Fall in Köln offensichtlich nur mit einem Klaps auf die Finger sanktioniert wird. Zur Erinnerung: zur Weiberfastnacht 2007 verletzt der 18-jährige Erdinc S. während eines Streites um eine Telefonzelle seinen 44-jährigen Kontrahenten so schwer, daß dieser einen Schädelbruch erleidet, wochenlang im Koma liegt und seitdem schwerbehindert ist. Das Resultat: eine Schuldfeststellung und die Auflage, an einem Antiaggressionstraining teilzunehmen. Strafe? Fehlanzeige, nicht mal auf Bewährung.

Anscheinend ist das justizielle Nord-Süd-Gefälle nach wie vor putzmunter und lebendig. Ich gebe zu, daß es mir als überzeugtem Nordlicht durchaus ab und zu auf die Nerven geht, wenn unsere bajuwarischen Mitbürger ihren Freistaat und "way of life" als Salz der Erde hinstellen, aber das eine oder andere könnten wir uns durchaus mal bei ihnen abgucken.

Übrigens, Karnevalisten waren mir immer schon suspekt... erst recht, wenn sie Rechtsprechung und Büttenreden durcheinanderwerfen.

Montag, 7. Juli 2008

Kiffen macht blöd

Doch, wirklich. Da ruft neulich diese junge Dame über Notruf an und meldet, sie wäre von irgendeinem Unhold angegriffen worden. Kaum treffen wir vor Ort ein (natürlich allerfeinste Ghettoanschrift und in Rufweite der Hälfte aller Doofen unseres Städtchens gelegen), stelle ich interessiert fest, daß es sich um die Schwester eines unserer Stammkunden handelt, dem ich erst vor zwei Wochen sein Dope weggenommen habe. Das kann ja heiter werden. Brüderchen steht direkt neben seiner Schwester und guckt finster.

"Also, der M., dieses Arschloch, hat mir eben mit dem Finger ins Auge gepiekst," kräht das empörte Opfer, "das will ich jetzt anzeigen!"

Ich verkneife mir die Frage, warum sie wegen einer solchen Bagatelle unseren Notruf nervt, anstatt selber zur Dienststelle zu kommen, und bekunde mein Unverständnis darüber, warum jemand so etwas böses tun sollte. Na ja, man habe halt Streß mit dem M., erklärt die Dame. Woher der "Streß" denn herrühre?

"Ähm, tja... also, das ist so... ich hab neulich M.'s Kumpel abgezogen."

Argh. Ich bemühe mich um ein ernstes Gesicht, belehre die geständige Sünderin über ihre Rechte und frage nach Details. Anscheinend übersteigt der Inhalt der Worte "Du brauchst dich nicht selbst zu belasten" ihren Horizont deutlich, denn sie plappert munter weiter und erklärt mir bildhaft, daß M.'s Kumpel ihr Dealer ist und sie neulich an seiner Tür etwas Dope gekauft hat, um dann nach Türöffnung ihre beiden Komplizen in die Wohnung einfallen und den ganzen Vorrat klauen zu lassen.

Ich verdrehe die Augen gen Himmel und meine Partnerin fängt an zu grinsen. Bei der Frage nach ihren beiden Komplizen zickt die Sünderin etwas rum, aber Brüderchen greift korrigierend ein und verkündet: "Ey, du hast Scheiße gebaut, jetzt mußte auch dafür geradestehen. Es waren der X. und der Y." Familienzusammenhalt ist eben doch was tolles.

Kaum haben wir das geklärt, kommt schon der eingangs erwähnte Unhold M. auf dem Fahrrad angefahren und erklärt, er wolle die Sache nun mit uns besprechen. Er entpuppt sich als ein recht friedliches Kerlchen und gibt an, er habe der Anruferin wegen der schändlichen Behandlung seines Kumpels nur mal die Meinung sagen wollen und ihr dabei in seiner Aufregung versehentlich den Finger ins Auge gesteckt. Die Dame ist allerdings vollkommen anderer Meinung und tut dies lauthals kund, worauf sich ein lustiger multikultureller Brüllwettstreit entspinnt.

Mittlerweile etwas angenervt, verschaffe ich mir Gehör und lasse zur Feier des Tages mal die Taschen ausleeren, wobei aus denen von M. und dem Bruder einiges an Gras in vielfältiger Verpackung purzelt. Die Stimmung wandelt sich spontan von "Ich will sofort Anzeige erstatten" zu "Och menno, ihr Spielverderber" und man zieht mit hängendem Kopf von dannen, während M. sich in philosophischen Betrachtungen darüber ergeht, daß es eigentlich ziemlich doof ist, mit Dope in der Tasche zur Polizei zu gehen.

Die Spielverderber stimmen ihm zu, setzen sich in ihr schönes blau-silbernes Batmobil und fahren rein, um fünf Strafanzeigen zu schreiben. Manchmal muß man eben nix tun, außer die Doofen quatschen lassen... give 'em enough rope and they'll eventually hang themselves.

Freitag, 4. Juli 2008

Prolog

Nach längerem Überlegen habe ich mich entschlossen, auch etwas zur unübersehbaren Vielzahl an Blogs voller Belanglosigkeiten und Trivialitäten beizutragen. Ob ich etwas sinnvolles zu sagen habe, möge der geneigte Leser selbst entscheiden... ich erwische mich in letzter Zeit während des Brötchenverdienens jedenfalls immer öfter bei dem Gedanken, "Eigentlich müßtest du diesen ganzen Kram mal aufschreiben".

Ach ja, for the record: selbige Tätigkeit (nämlich das Brötchenverdienen) besteht darin, daß ich in irgendeiner norddeutschen Stadt einen Funkstreifenwagen fahre. Wer immer schon mal wissen wollte, wo seine Steuergelder landen, ist hier herzlich willkommen, wer die Polizei im Allgemeinen und Streifenwagenjockeys im Besonderen als nutzlose Kreaturen betrachtet, eher nicht...

Kommentare sind willkommen; wer sich dafür nicht hier oder bei einem der anderen Dienste anmelden möchte, darf seine Ansichten auch gerne bei blaulichtmilieu@gmail.com hinterlassen.