Samstag, 6. Dezember 2008

Höhere Mathematik

Nach langem, zähen Ringen hat die Bundespolizei beschlossen, ihr altes Waffensystem SIG-Sauer P 225 (behördenintern als P6 designiert) nach nunmehr dreißig Jahren endlich aufs Altenteil zu schicken und durch die Walther P99 QA zu ersetzen. Die neue Dienstwaffe bietet (wie die übrigen gängigen Dienstwaffen der aktuellen Generation) ein Polymergriffstück, ein Abzugssystem mit gleichbleibendem Abzugsgewicht bei jedem Schuß und ein doppelreihiges Magazin.

Das ist insbesondere deswegen erfreulich, weil die neue Waffe mit einer Magazinkapazität von fünfzehn Schuß ihrem Anwender im Vergleich zur P6 nahezu den doppelten Munitionsvorrat bereitstellt. Meine Erfahrungen im dienstlichen FX-Training (insbesondere auf den Amok-/Notzugriff-Seminaren) haben mir nachdrücklich vor Augen geführt, daß in einer derartigen Lage vielfach ein Munitionsverbrauch auftritt, der oftmals deutlich unterschätzt wird. Hochstreß, Bewegung, eine dynamische Umgebung und ein zurückschießender Gegner sorgen dafür, daß die Trefferwahrscheinlichkeit im Realfall (und auch in einer entsprechend realistischen Simulation) deutlich schlechter ausfällt als auf dem Schießstand, und daß insgesamt deutlich mehr Schüsse abgegeben werden.

Man möchte also nun meinen, daß die Einführung der neuen Dienstwaffe in dieser Beziehung ihrem Träger eine deutliche Sicherheitsreserve verschafft. Weit gefehlt... die Profis vom Beschaffungswesen haben nämlich sogleich dafür gesorgt, daß dem hoffnungsfrohen Schutzmann dieser Zahn schnellstens gezogen wird. Man hat sich in diesen Kreisen nämlich messerscharf ausgerechnet: "Fünfzehn Schuß sind ja beinahe genausoviel wie die zweimal acht Schuß der alten Plempe... das reicht ja locker." Folgerichtig wurde aus Kostengründen das Reservemagazin für Einsatzkräfte außerhalb von Spezialeinheiten ersatzlos gestrichen. Stattdessen werden zukünftig einige zusätzliche Magazine als Pool auf der Dienststelle "für besondere Lagen" vorgehalten. Das ist natürlich eine fantastische Idee, weil besagte "besondere Lagen" ja bekanntlich die Eigenschaft haben, sich immer rechtzeitig anzukündigen.

Jenseits dieser unsäglich schlechten Milchmädchenrechnung gibt es aber noch ein weiteres Problem. Bestimmte Waffenstörungen machen es für ihre einsatzmäßige Behebung erforderlich, daß das Magazin ausgeworfen und fallengelassen und die Waffe mit dem Reservemagazin wieder geladen wird. Ist ein solches nicht vorhanden, kann der Anwender seine Waffe vor Ort entweder überhaupt nicht oder nur unter erheblichem Zeitverzug wieder einsatzbereit machen, was im Ernstfall lebensgefährlich sein kann.

Damit ist allerdings der Gipfel des Unsinns noch lange nicht erreicht. Aktuellen Pressemeldungen zufolge wird die Bundeszollverwaltung, die unlängst entschieden hat, ihre Einsatzkräfte anstelle der P6 zukünftig mit der Heckler & Koch P 30 auszustatten, ebenfalls nur ein Magazin pro Beamter beschaffen UND selbiges nur mit zwölf Patronen anstelle der möglichen fünfzehn füllen lassen. Es entzieht sich vollständig meinem Verständnis, wie man eine derartige Entscheidung treffen kann.

Hoffnung gibt mir hingegen, daß die Polizei Baden-Württenberg das Thema ihrerseits in einer Pressemitteilung aufgegriffen und verkündet hat, daß sie keinesfalls die Sicherheit ihrer Mitarbeiter für marginale finanzielle Einsparmöglichkeiten kompromittieren wird, und daß ein Reservemagazin zur Grundausstattung jedes Polizeibeamten gehört. Anscheinend haben nicht alle Beschaffer den Kontakt zur Praxis vollständig verloren.

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