Samstag, 11. Oktober 2008

Night of the living dead

Wochenende, vier Uhr nachts... ein panischer Bürger ruft über Notruf an und meldet, daß auf der Party, auf der er gerade gewesen ist, ein Mann mit einer Axt aufgetaucht sei. Wir fahren mit mehreren Streifenwagen und Diensthunden zu der Anschrift, die sich als feinste Ghettolage in einer malerischen Sozialblocksiedlung entpuppt.

Der Anrufer erwartet uns schon an der Straßenecke und erklärt aufgeregt, er habe selbst gar nichts gesehen, aber der Gastgeber habe ihm zugerufen, es sei ein axtschwingender Eindringling aufgetaucht und er solle sofort die Polizei rufen. Wir nähern uns dem Haus, gehen durchs Treppenhaus hoch und betreten vorsichtig die offenstehende Wohnung im ersten Stock.

Im Flur kommt uns der Gastgeber entgegen, der ob meiner Dienstwaffe etwas konsterniert guckt und uns erklärt, es sei alles nicht so schlimm und der Eindringling sei schon wieder weg. Er wisse auch, wer es sei; es handele sich nämlich um seinen Nachbarn aus dem Nebenhaus. Der müsse von dem eigenen Balkon offensichtlich auf seinen Balkon geklettert sein, jedenfalls sei er plötzlich mit einer Axt in der Hand am Wohnzimmerfenster erschienen und habe dagegengeklopft. Anscheinend habe er sich dann auf demselben Wege wieder entfernt.

Wir flitzen also wieder die Treppe hinunter, ein Gebäude weiter zum Eingang des Nebenhauses und klingeln beim Nachbarn. Nachdem wir etwa fünfmal geklingelt und "Polizei!" gesagt haben und er die Sprechanlage etwa fünfmal aufgehangen hat, brummt der Summer schließlich doch. Wir gehen im Treppenhaus nach oben, wo es natürlich finster wie in einem Bärenarsch ist, weil sämtliche Glühbirnen kaputt sind.

Als wir im ersten Stock angekommen sind, öffnet sich die Wohnungstür und im Schein meiner Taschenlampe erblicke ich einen Menschen, der geradewegs aus einem ziemlich schlechten B-Horrormovie zu stammen scheint. Strähnige lange graublonde Haare, ein bleiches Zombiegesicht, eingefallener Körper... und zu allem Überfluß ist sein einziges Kleidungsstück ein fleckiges Unterhemd. Ich leuchte ihm mit den vollen 230 Lumen ins Gesicht und spreche ihn an, ohne daß er irgendeine Reaktion zeigt. Er starrt uns nur vollkommen verständnislos an. Auf einmal dreht er sich leicht und ich sehe plötzlich im Lichtkegel, daß er mit einem Fleischerbeil in der Hand vor uns steht.

Ich richte umgehend meine Waffe auf ihn, mein Partner tut das gleiche und Gebrüll hebt im Treppenhaus an. Glücklicherweise läßt der Zombie sein Hackebeilchen programmgerecht fallen und legt sich auf den Boden, wo er zunächst von meinem Partner und mir fixiert und gefesselt werden kann. Die Wohnung ist ein übles Dreckloch und voll mit irgendwelchem Müll.

Als ich den Zombie mit strenger Miene nach einer Erklärung für seinen Balkonstunt frage, fängt er erstmal zu stottern an und erläutert mir dann, daß er mit seinen Nachbarn in Streit liege und sich durch die lautstarke Musik ihrer Party in seinem Nachtschlaf gestört gefühlt habe. Er sei nur auf ihren Balkon geklettert, um sich darüber zu beschweren. Das Fleischerbeil habe er mitgenommen, weil er Angst gehabt hätte, ansonsten von ihnen zusammengeschlagen zu werden. Als es an seiner Tür geklingelt habe, sei er fest davon ausgegangen, daß es seine Nachbarn wären, die nun gekommen seien, um ihn fertigzumachen.

Ich erkläre ihm, daß man das Risiko, von anderen Leuten zusammengeschlagen zu werden, zuallererst dadurch verringern kann, daß man nicht uneingeladen auf ihren Balkonen herumklettert. Er hört mir angestrengt zu, aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob er diesen Gedanken nachvollziehen kann. Wir nehmen ihm sein Beil ab und fahren wieder weg in der Hoffnung, daß der Schreck gereicht hat.

Lektion für schlaflose Zombies: wenn man sich mit seinen Nachbarn streitet, gibts da so eine Nummer... die kann man anrufen und dann kommt der Onkel mit dem Streifenwagen zwecks Schlichtung. Das ist irgendwie besser als mit einem Beil nächtens von Balkon zu Balkon zu hangeln.

Lektion für Partylöwen: wenn morgens um vier auf einmal ein halbnackter Zombie mit Hackebeilchen an eurem Wohnzimmerfenster erscheint und sich beschweren möchte, dann wart ihr WIRKLICH zu laut.

Freitag, 10. Oktober 2008

Scheiterhaufen

Auch in Bremen haben die Ermittlungen weitere umfangreiche Erkenntnisse zum Tatplan ergeben. Die mittlerweile ermittelten vier tatverdächtigen Jugendlichen haben in ihren Vernehmungen angegeben, daß der Streifenwagen von ihnen unter einem Vorwand zum Tatort gelockt wurde. Ihr Plan sah wie folgt aus: ein Täter lenkt die im Fahrzeug befindliche Besatzung ab, indem er mit einem Schlagstock auf die Motorhaube einschlägt. Währenddessen wird von hinten die Heckscheibe des Wagens mit einem Gullydeckel eingeworfen und ein Molotow-Cocktail ins Fahrzeug geschleudert. Anschließend sollten die Dienstwaffen der verletzten oder getöteten Polizeibeamten entwendet werden.

Hintergrund der Tat ist anscheinend eine generell feindliche Haltung gegenüber der Polizei, die daraus resultiert, daß jeder der vier Täter bereits diverse Male polizeilich in Erscheinung getreten ist und deswegen zum Ziel polizeilicher Maßnahmen wurde... angefangen bei Schulschwänzerei bis hin zu Eigentums- und Gewaltdelikten (teilweise in deutlich zweistelliger Anzahl). Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verabredung zum Mord und hat bereits Haftbefehle beantragt.

Um es mal etwas prosaischer auszudrücken: vier kleine Zivilversager, die offensichtlich nicht mal einen Hauch vernünftiger Erziehung abbekommen haben, können "Mein" und "Dein" nicht unterscheiden, kriegen folgerichtig Ärger mit der Schmiere und sind darüber so verärgert, daß sie sich in ihrem gerechten Zorn entschließen, die nächstbesten beiden Polizeibeamten bei lebendigem Leibe abzufackeln? Das klingt eher nach Beirut als nach Bremen... und in solchen Momenten komme ich arg ins Grübeln, ob unsere NATO-Kumpels auf der anderen Seite des großen Teichs nicht doch die eine oder andere Sache genau richtig machen. Aus meiner Streifenwagenjockeyperspektive klingt "twentyfive to life" nämlich deutlich angemessener für eine solche Sache als das, was die Bengel nach deutschem Jugendstrafrecht vermutlich bekommen werden.

Nachahmung

Anscheinend macht das Kölner Beispiel langsam Schule. Wie die Süddeutsche Zeitung meldet, haben in der letzten Nacht erneut mehrere Täter versucht, durch einen fingierten Notruf eine Streifenbesatzung der Polizei in einen Hinterhalt zu locken, um gewaltsam gegen sie vorzugehen - diesmal in Bremen. Der Anrufer meldet telefonisch, er werde bedroht. Als die Kollegen eintreffen, versuchen die Täter, die Scheiben des Streifenwagens einzuschlagen. Zwei Täter können festgenommen werden; am Tatort werden später Molotow-Cocktails aufgefunden. Die Polizeibeamten werden glücklicherweise nicht verletzt.

Unter diesen Umständen sollte langsam wirklich bis zum letzten Kollegen durchgedrungen sein, daß man bei selbst jedem banalen Routineeinsatz mit allem rechnen muß und die Augen aufmachen sollte. Jeder von uns sollte sich darüber klarsein, daß er sich jeden Tag, wenn er die Uniform anzieht, selbst zur Zielscheibe für alle möglichen Leute macht, die mit der Polizei ein Hühnchen zu rupfen haben, und daß da draußen Menschen herumlaufen, die bereit sind, uns ohne mit der Wimper zu zucken alles mögliche anzutun... allein wegen unseres Berufes.

Und im vollen Wissen um diese Tatsachen die Entscheidung zu treffen, nicht regelmäßig zu trainieren, kann ich nur als grob fahrlässig bezeichnen.