Samstag, 2. August 2008

Wehe, wenn sie losgelassen

Das schöne Geschlecht kann manchmal ganz schön anstrengend sein. Nein, liebe Leserinnen, euch meine ich natürlich nicht, zumindest nicht mit "anstrengend". Tatsächlich kann das weibliche polizeiliche Gegenüber aber manchmal um einiges stressiger und unberechenbarer sein als sein männliches Pendant. In letzter Zeit sind mir etliche Kollegen aufgefallen, die angemerkt haben, daß immer mehr Widerständler junge Mädels sind. Hier ist eins der Erlebnisse, die zu dieser Ansicht geführt haben...

Neulich nacht ruft jemand über Notruf an und meldet, daß im X-Weg mehrere Personen auf dem Boden liegen. Da wir gerade nichts zu tun haben, fahren wir sicherheitshalber mit zwei Wagen plus Hundeführer an und finden eine Gruppe junger Leute vor. Auf dem Boden liegt niemand und was genau passiert ist, weiß auch keiner. Das ist aber auch egal, weil das Theater gleich weitergeht... eine junge Dame flüchtet bei unserem Eintreffen panisch in die nächste Seitenstraße.

Während wir mit den Kids sprechen und dabei feststellen, daß eigentlich gar nichts gewesen ist, kommen die Hundeführer mit der flugs wieder eingefangenen Nachwuchssportlerin zurück. Die Dame ist im zarten Alter von 15 Jahren völlig besoffen und wechselt nahtlos und ständig zwischen wüsten Beschimpfungen in unserer Richtung und leidenschaftlichen Umarmungen ihres Begleiters (den sie laut ihrer relativ nüchternen Freundin gerade zwei Stunden kennt). Als meine Kollegin gerade ihre Daten aufschreibt, rupft Fräulein ihr auf einmal den Ausweis aus der Hand und will stiften gehen. Sie kommt ca. einen Meter weit und bewegt sich dann etwas unsanft in die Horizontale, wobei sie von zwei Kollegen assistiert wird. Ihr Begleiter hebt die übliche Tirade von wegen "blabla... keine Schwerverbrecher... rhabarber... Polizeigewalt" usw. an, während meine Kollegin ihm das Prinzip des Waldes erklärt, aus dem es so herausschallt, wie man reinruft.

Wir verkünden den Anwesenden, daß wir die beiden minderjährigen Mädels nach Hause fahren und den Eltern übergeben werden. Das nimmt die Liebhaberin geistiger Getränke zum Anlaß, eine neue Bestzeit auf 100m aufzustellen. Unglücklicherweise (für sie) legt meine Kollegin eine noch bessere Zeit hin und holt sie kurz vor der Ziellinie erneut von den Beinen. Zwei weitere Kollegen springen mit ein, und es hebt ein lustiges Ringelpiez mit Anfassen an, weil sich die junge Dame partout nicht in den Streifenwagen setzen möchte. Stattdessen schlägt, tritt, kratzt und spuckt sie um sich wie eine Furie und entwickelt dabei nicht nur erstaunliche Kräfte, sondern auch eine Lautstärke auf Feuerwehrsirenen-Niveau in Kopfschmerz erzeugenden Frequenzbereichen. Außerdem nimmt sie einen kräftigen Bissen Kolleginnenarm, der laut späterer ärztlicher Untersuchung sowohl den Nerv als auch die Sehne erwischt. Es spricht für die Selbstbeherrschung der Kollegin, daß sie dem kleinen Fratz nicht auf der Stelle eine ballert.

Der Streifenwagen fährt los und ich kann selbst von draußen aus meterweiter Entfernung bei laufendem Motor noch das Gekreische der hysterischen Furie hören. Funkverständigung mit dem betreffenden Wagen ist verständlicherweise nicht mehr möglich. Später erfahre ich, daß das Mädel die halbe Inneneinrichtung des Streifenwagens zerlegt hat.

Als wir auf der Auffahrt des elterlichen Anwesens aussteigen, geht es gleich weiter. Unsere Vorzeigeathletin schnappt sich sogleich den neugierig auf uns zu laufenden elterlichen Hofhund (ein Kalb von mindestens einem Meter Stockmaß), schiebt ihn in unsere Richtung und brüllt mit überschlagender Stimme: "Faß, Theo, faß!" Theo ist augenscheinlich ein eher friedlicher Vertreter, denn er guckt sein Frauchen nur verwirrt an und bellt ein paar Mal zur Begrüßung. Das ist auch besser so, denn mein Kollege, der mittlerweile am Ende seiner Geduld angekommen ist, stellt der jungen Dame mit deutlichen Worten einen Schußwaffengebrauch in Aussicht, wenn sie nicht auf der Stelle den Hund wegnimmt.

Als die Eltern erscheinen, fallen sie buchstäblich aus allen Wolken und wir bekommen die übliche "Oh mein Gott, so kennen wir unsere Kleine ja überhaupt nicht..."-Story zu hören. Zu ihrer Ehrenrettung sei gesagt, daß sie sogleich anfangen, ihrem renitenten Nachwuchs gehörig den Kopf zu waschen. Leider beeindruckt dies selbigen nicht im geringsten. Stattdessen spuckt der Nachwuchs wild in der Gegend herum, unternimmt einen weiteren Fluchtversuch und simuliert schließlich einen Krampfanfall, um anschließend dem Kollegen mit Inbrunst vor das Schienbein zu treten.

Da nach Angaben der Freundin noch ein drittes Mädchen mit den beiden unterwegs war, überlassen wir die beiden Abenteurerinnen den Eltern unserer Widerständlerin und machen uns auf die Suche. Eine gute Stunde angestrengter Suche im Stadtgebiet, an diversen bekannten Anlaufadressen und auf allen kleinen Feldwegen in der Umgegend bleibt erfolglos, und langsam fangen wir an, uns ernsthaft Sorgen zu machen. Plötzlich bekommen wir einen Anruf... die Dritte im Bunde ist mittlerweile auch bei ihren beiden Freundinnen eingetroffen, und wir fahren nochmal hin, um ihr die Leviten zu lesen. Es stellt sich heraus, daß sie sich bei unserem ersten Erscheinen vor Angst im nächsten Garten versteckt, sich dann nach unserer Abfahrt auf den Weg zum Hof ihrer Freundin gemacht hat und jedes Mal, wenn sie aus der Entfernung unseren Streifenwagen gehört oder gesehen hat, ins nächste Gebüsch gehüpft ist.

Ich schüttele entnervt den Kopf, zeige ihr mal einige unschöne Konsequenzen auf, die das nächtliche Herumlungern in den weniger guten Gegenden unserer Stadt für betrunkene vierzehnjährige Mädchen haben kann, und stelle zu meiner Befriedigung fest, daß sie etwas blaß um die Nase wird. Ob der Schreck wohl lange vorhält? Ich würde keine Prognose abgeben wollen.

Nach drei Stunden ist endlich Einsatzende und wir fahren rein. Ich äußere meine Dankbarkeit darüber, nicht der Vater einer Tochter in diesem Alter zu sein. Mein Kollege hustet nur, guckt weg und grummelt etwas unverständliches...

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