Dienstag, 26. August 2008

Has the edge gone dull?

Ist die Schneide stumpf geworden? Haben wir noch "the edge", das kleine, aber entscheidende Mehr an Reaktions- und Entscheidungsfähigkeit, Entschlossenheit und körperlichen Fähigkeiten, das uns im Ernstfall in die Lage versetzt, aus einer gefährlichen Situation unbeschadet wieder herauszukommen?

Diese Frage stellt sich der Autor dieses sehr bedenkenswerten Artikels in dem amerikanischen Polizeiportal Officer.com, über den ich neulich während meines üblichen Das-ganze-Internet-Querlesens gestolpert bin. Er spielt damit auf die Tatsache an, daß Fortbildung und Training in Polizeibehörden in vielen Fällen sehr schnell zu einer Pflichtübung werden, bei der nur das Erwerben einer formalen Qualifikation, die Erfüllung einer Kontrollübung oder Lernzielkontrolle eine Rolle spielen.

In Anbetracht des desolaten Zustands, in der sich die taktische Fortbildung in vielen Behörden befindet, muß ich leider zugeben, daß ich die Bedenken des Autors teile. Ich möchte an dieser Stelle gar nicht auf das reine Schießtraining eingehen; meine Meinung dazu habe ich bereits an anderer Stelle in diesem Blog umfangreich niedergelegt. Vielmehr möchte ich heute das Augenmerk auf die Tatsache legen, daß der gesamte Bereich Eigensicherung/Einsatztraining in meiner Behörde meiner Ansicht nach drastisch vernachlässigt wird.

Es ist ungünstig genug, daß die gesamte taktische Fortbildung nur noch zentral im Seminarrahmen auf PD-Ebene durchgeführt wird, was bei dem derzeitigen Stand der Trainingsressourcen dazu führt, daß selbst ein interessierter und engagierter Beamter, der sich aktiv um die Teilnahme an entsprechenden Trainings bemüht, bestenfalls ein- bis zweimal im Jahr die Gelegenheit dazu hat.

Verschlimmert wird die Angelegenheit allerdings noch dadurch, daß den vorhandenen Trainern in den letzten Jahren auch noch die Durchführung der Pflichtbeschulungen des gesamten Personals im Rahmen der "Amok"-Konzeption meines Bundeslandes aufgebürdet wurde, ohne durch entsprechenden Aufbau der Trainerkapazitäten die Aufrechterhaltung des restlichen Einsatztrainings zu gewährleisten.

In letzter Konsequenz ergibt sich daraus, daß die Polizei ihre Mitarbeiter nach außen hin als perfekt ausgebildete Profis für riskante Einsätze verkauft, ihnen aber gleichzeitig nur ein blankes Minimum an Trainingsmöglichkeiten zur Verfügung stellt. Im Grunde genommen ist das ein nicht hinnehmbarer Zustand... aber das ist noch lange nicht alles.

Der eine oder andere Kollegen mag nun einwerfen, das sei doch alles bekannt, und wer mit dem dienstlichen Training unzufrieden sei, müsse sich dann eben selber mal reinhängen und etwas auf die Beine stellen. Tatsache ist aber, daß Eigeninitiative in diesem Bereich regelmäßig durch die polizeieigene Bürokratie buchstäblich ausgebremst wird. Auf meiner Dienststelle wurde bereits mehrfach durch einzelne Kollegen der Versuch unternommen, auf örtlicher Ebene Einsatztrainings mit FX-Markierungswaffen durchzuführen (teilweise durch ehemalige SE-Angehörige mit umfangreicher Einsatzerfahrung). Das vorhersehbare Ergebnis: "Tut uns leid, aber das ist nicht vorgesehen, sowas dürfen nur SET-Trainer." Ich selber habe mehrfach um Dienstunfallschutz für private Trainingsvorhaben und die Entsendung zu externen Fortbildungsveranstaltungen gebeten. Sobald eine dieser Aktivitäten nicht der Erlaßlage für außerdienstlichen Sport (abschließende Aufzählung genehmigungsfähiger Sportarten, die im wesentlichen ein Standard-Breitensport-Programm darstellt), wurden sämtliche diesbezügliche Ansinnen mit der lakonischen Begründung "Liegt nicht im dienstlichen Interesse" abgelehnt.

Nun ja... ich bin verrückt genug, um gutes Training höher als bürokratische Hürden einzuschätzen, und ziehe notfalls eben auf eigenes Risiko ohne Dienstunfallschutz los. Allerdings dürfte ich mich damit wohl in einer sehr kleinen Minderheit befinden.

Nichtsdestotrotz will ich hier nicht die Schuld allein beim Dienstherrn suchen. Beim Schreiben dieses Beitrags ist mir klargeworden, daß sich die Problematik des "losing the edge" durchaus nicht nur auf den dienstlichen Bereich bezieht. Ich habe an mir selbst festgestellt, daß ich in den letzten Monaten in eine ziemlich eingefahrene und regelmäßige Trainingsroutine hineingeraten bin, die letztlich darin bestanden hat, in etlichen maßgeblichen Bereichen immer wieder dasselbe zu machen.

Nun ist der alte Spruch "Repetition is the mother of all skills" natürlich nach wie vor grundlegend wahr, aber andererseits hat die ständige stumpfe Wiederholung derselben Inhalte bei mir zu einem deutlichen Motivationsabfall geführt. Ich habe mich selbst dabei erwischt, daß ich mit der Zeit nur noch aus schlechtem Gewissen heraus zum Training gegangen bin und mir der Spaß daran auf schleichende Art und Weise verlorengegangen ist.

Deswegen werde ich meine Trainingsgestaltung dahingehend ändern, daß ich mich in anderen Themenbereichen umsehen, mit neuen Leuten trainieren und vor allem mein regelmäßiges Vereinstraining mit verschiedenen kleinen Heimtrainingseinheiten "würzen" werde... ein bißchen Trockentraining mit der Waffe vor dem Essen, ein paar Ziehvorgänge nach Feierabend, eine Runde mit Einsatzkoppel und Blue-Gun am Sandsack, je nach Laune und Zeit. Vermutlich ist es einfach mal wieder an der Zeit, alte Routinen aufzulösen und neue Sachen auszuprobieren. Ich bin gespannt, was sich daraus alles ergeben wird.

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