Donnerstag, 11. Dezember 2008

Alle Jahre wieder...

... kommt nicht nur der Weihnachtsmann, sondern ab und zu auch eine neue Beurteilungsrunde. Für meine geschätzten nichtpolizeilichen Leser: jeder Polizeibeamte wird in regelmäßigen Abständen (je nach Behörde alle zwei oder drei Jahre) von seinen Vorgesetzten beurteilt und bekommt eine Note, die u.a. über Dinge wie die Beförderungsreihenfolge entscheidet.

Traditionell vertritt die Behördenleitung dabei nach außen die Version, "Bei uns wird streng nach Eignung, Leistung und Befähigung beurteilt, genauso wie es im Grundgesetz steht", während sie tatsächlich intern so beurteilt, wie es ihr personalplanungsmäßig in den Kram paßt. Das Spaßige an der Sache ist nämlich, daß dienstliche Beurteilungen auf dem Rechtswege zumindest inhaltlich kaum anfechtbar sind, weil die Verwaltungsgerichte sich hüten, Mutmaßungen darüber anzustellen, ob der Vorgesetzte die Leistungen seines Mitarbeiters im Beurteilungszeitraum korrekt eingeschätzt hat. Sofern die Beurteilung also keine formalen oder verfahrensrechtlichen Fehler aufweist, ist sie im Grunde in Stein gemeißelt.

Da unsere oberste Heeresleitung aber bekanntlich auch mit der Gabe gesegnet ist, mittels Blick in die Kristallkugel glasklar zu erkennen, wieviele ihrer Schäflein sehr gute, gute, befriedigende, ausreichende Arbeit usw. leisten, hat sie in ihrer unerschöpflichen Weisheit Quoten geschaffen, aus denen sich ergibt, wieviele Beamte welche Note bekommen dürfen. Da diese Quoten bis auf die örtliche Ebene heruntergebrochen werden, kann der beurteilende Vorgesetzte selbst überhaupt nicht frei entscheiden, wie er wen beurteilt.

Die oben erwähnte Personalplanung sieht in den meisten Fällen so aus, daß die Behörde insbesondere bei den unteren Dienstgraden anstrebt, die Mitarbeiter gemäß ihrem Dienstalter zu befördern. Konkret bedeutet das, daß der beurteilende Vorgesetzte mitsamt seinem Hofstaat eine Liste aufstellt, wer denn wann "dran" ist. Diese Liste wird dann quotenmäßig aufgeteilt, woraus sich die tatsächliche Note jedes einzelnen Beamten ergibt. Im Umkehrschluß ergibt das - der geneigte Leser ahnt es schon - die unstrittige Tatsache, daß die Note nicht das Produkt der Leistungen und Fähigkeiten des Mitarbeiters, sondern vielmehr ein Ergebnis der Kombination seines Dienstalters mit einem Quotenschema ist.

Nachdem nun die Beurteilungen feststehen, wird als letztes der Beurteilungsbogen (der diverse Einstufungen des Mitarbeiters in verschiedenen Tätigkeitsfeldern und Beurteilungskriterien beinhaltet) so ausgefüllt, daß es "paßt". Schlußendlich wird die Beurteilung dem Beamten eröffnet... falls der Vorgesetzte (wie mein eigener Chef) ehrlich ist, erklärt er zumindest das oben geschilderte Prozedere, falls nicht, denkt er sich zum Ärger seiner Belegschaft irgendwelche Stories aus.

Das alles ist nun im Grunde nicht eben unbekannt, sondern im Polizeidienst altbekannte Realität. Jeder Kollege, der seine Laufbahnausbildung hinter sich gebracht hat und mit einigermaßem wachen Augen durch sein dienstliches Alltagsleben geht, weiß das eigentlich. Um so mehr wundert mich das Ausmaß des Geschimpfe und Gemeckere, das sich nach der aktuellen Beurteilungsrunde erhoben hat. Anscheinend hegen meine Mitstreiter deutlich mehr Illusionen, als ich ihnen zugetraut hätte, was die Anerkennung ihrer Fähigkeiten und Leistungen durch ihren Arbeitgeber angeht.

Man kann nun trefflich darüber lamentieren, daß sich die von Politikern aller Parteien vollmundig geforderte leistungsorientierte Beurteilung (und damit Bezahlung) in der innerbehördlichen Realität derart wenig wiederspiegelt. Alles Lamentieren wird aber nichts daran ändern, daß der Dienstherr auch weiterhin dafür sorgen wird, daß zumindest auf der Ausführungsebene der Polizei nach sozialen Kriterien befördert wird. Das mag zwar eine gewisse (relativ geringe) Anzahl von tatsächlichen oder eingebildeten Hochleistungstypen verärgern und demotivieren, aber die große Masse der Polizei besteht aus Leuten, die durchschnittliche Arbeit leisten, ohne dabei Spitzenleistungen zu erbringen... und die meisten von ihnen dürften es recht komfortabel finden, sich ihre Beförderung durch kontinuierliche Anwesenheit "ersitzen" zu können. Leistungsorientierte Beurteilungen mögen zu einer Qualitätssteigerung führen, soziale Beurteilungen hingegen sorgen für Ruhe im Stall... was es der Führungsetage wiederum leichter macht, trotz Kürzungen und anderen unbequemen Änderungen einigermaßen streßfrei zu regieren. Wer sich etwas anderes einbildet, lügt sich selber in die Tasche.

Ich für meinen Teil habe mich schon vor langer Zeit von dem Gedanken verabschiedet, realistisch und individuell beurteilt zu werden. Darüber bin ich allerdings auch recht froh, weil es mir ein recht entspanntes Berufsleben beschert hat und es mir ermöglicht, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren (und nicht darauf, wie selbige von meinem Chef wahrgenommen wird). Ich gebe allerdings zu, daß die Tatsache, daß ich keinerlei Karriereambitionen im herkömmlichen Sinne habe und somit über Beurteilungen nicht erpreßbar bin, mir dabei nicht unwesentlich geholfen hat.

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