Donnerstag, 17. Juli 2008

Ich hab meinen Turnbeutel vergessen...

So hieß es früher in der Schule immer, wenn jemand nicht am lästigen Sportunterricht teilnehmen wollte. Ist ja auch total blöd, unter den gestrengen Augen des Lehrers solche spannenden Spiele wie Brennball und Völkerball spielen zu müssen... und das auch noch mit *ächz* Mädchen. Dabei könnte man die Zeit doch viel besser damit zubringen, mit seinem Kumpels hinten im Hof zu kicken.

Anscheinend gibts diese Mentalität auch unter erwachsenen Polizeibeamten immer noch. Zumindest drängt sich mir der Gedanke auf, wenn ich mir die Bereitschaft meiner Kollegen anschaue, regelmäßig am dienstlichen Schießtraining teilzunehmen. Ich habe heute sechs Stunden damit zugebracht, unser turnusmäßiges Schießtraining zu leiten. Das heißt, eigentlich habe ich eher fünf (!!) Stunden damit zugebracht, Däumchen zu drehen und darauf zu warten, daß Trainingsteilnehmer in der Raumschießanlage erscheinen. In sechs Stunden taten das aus dem Früh- und Spätdienst insgesamt ganze drei (!!) Leute.

Es ist schlimm genug, daß bei der Polizei generell zuwenig geschossen wird. Die klamme Landeskasse setzt Limits für vorhandene Trainingsmunition (die so gering bemessen sind, daß ein durchschnittlicher Sportschütze das Jahressoll eines Polizeibeamten im Verlauf eines ausgedehnten Trainingsabends im Verein locker wegschießt), und die Führung zeigt nicht das geringste Interesse daran, zumindest die Einhaltung dieser minimalen Trainingsanforderungen zu kontrollieren. Tatsächlich sehe ich unter den 70+ Beamten meines Dienstbereiches immer wieder dieselbe Handvoll Gesichter beim Schießtraining.

Es ist aber erst recht peinlich, daß diejenigen, die sich buchstäblich nie unten im Schießkeller blicken lassen, keine Gelegenheit auslassen, um zu verkünden: "Hach ja, ich wäre ja schon längst mal schießen gegangen, aber es kommt immer was dazwischen... und dann ist da ja noch diese lästige Dienstplanung im Schichtdienst..."

Hallo, gehts noch? Es ist verdammt noch mal euer Job, regelmäßig auf dem Schießstand zu erscheinen. Ihr tragt von Berufs wegen eine Waffe... und zwar jeden Tag, acht Stunden lang. Wenn immer was dazwischen kommt, ist das eure Schuld, denn die Trainingstermine stehen mit dicker roter Schrift im Kalender. Das Problem ist nicht die Dienstplanung, sondern die Tatsache, daß ihr zu bequem seid, ab und zu mal eine zusätzliche Stunde (bezahlten!!) Dienst dranzuhängen und die paar Treppen runter in die Schießanlage zu steigen.

Es vergeht mittlerweile fast kein Monat mehr, ohne daß irgendwo in Deutschland ein Polizeibeamter seine Schußwaffe benutzen muß, um Schaden von sich und anderen abzuwenden. Wer unter solchen Umständen nicht regelmäßig und ernsthaft trainiert, handelt in höchstem Grade verantwortungslos. Schießen ist ein "perishable skill", und daß ihr in der Ausbildung natürlich alle mal ganz tolle Scharfschützen gewesen seid, bedeutet drei, fünf oder zehn Jahre später einen Scheißdreck.

Ich hoffe inständig, daß ich niemals meinem Dienststellenleiter auf die Frage antworten muß, wieviele Schießtermine PK Schlau und PK Schneidig aufzuweisen haben und wieviele es eigentlich hätten sein sollen. Aber noch viel mehr hoffe ich, daß ich nicht in der Nähe sein werde, wenn sich der bittere Grund für eine derartige nachträgliche Frage auftut.

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