Sonntag, 16. August 2009

Leibesertüchtigung

... ist eine sehr wichtige Sache für den Polizeibeamten. Findet zumindest der mündige, steuerzahlende Bürger. Denn die Polizeibeamten müssen ja regelmäßig flüchtenden Straftätern hinterherlaufen und sich mit selbigen prügeln. Das weiß er, weil er aufmerksam die polizeilichen Pressemeldungen in der Lokalzeitung verfolgt. Und außerdem war da ja neulich was im Radio, daß die Gewalt gegen Polizeibeamte auf Deutschlands Straßen immer mehr zunimmt.

Der Steuerzahler geht also grundsätzlich erstmal davon aus, daß bei der Polizei viel Wert auf Fitness gelegt und ordentlich Sport getrieben wird. In der Firma, in der der Steuerzahler arbeitet, legt der Chef ja schließlich auch gesteigerten Wert darauf, daß alle Mitarbeiter umfassend für ihren Job qualifiziert sind. Außerdem studiert der Neffe seines Schwagers gerade an der Polizeiakademie, und der hat neulich erst irgendwas von Sportleistungsabnahmen erzählt.

Im Interesse ihres eigenen Ansehens sollte die Polizeiführung meines Bundeslandes lieber hoffen, daß unser Bürger nicht so bald näheren Kontakt zu einem "fertigen" Polizeibeamten bekommt. Ansonsten bestünde nämlich die Gefahr, daß er mitbekommt, wie es um den Sport in der Polizei nach Ende der Ausbildung tatsächlich bestellt ist. Er wäre bestimmt enttäuscht, wenn er erfährt, daß die Beamten, die er immer im Streifenwagen durch seine Heimatstadt fahren sieht, sich mitnichten jede Woche beim Dienstsport fithalten.

Stattdessen müßte er hören, daß die Anzahl der Stunden, die pro Monat für den Dienstsport vorgesehen sind, deutlich im unteren einstelligen Bereich liegen, und daß sich das Angebot in vielen Dienststellen auf die Klassiker "Lauftreff" und "Fußball" beschränkt. Weiterhin müßte er feststellen, daß zwar theoretisch vorgeschrieben ist, daß jeder Polizeibeamte jedes Jahr einen Sportleitungsnachweis (z.B. durch EPLA*, das deutsche Sportabzeichen oder einen kombinierten Fitnesstest) zu erbringen hat, daß dies aber in den allermeisten Dienststellen nicht mal ansatzweise durchgesetzt wird.

Nun mag unser Bürger mutmaßen, daß dann doch sicherlich die außerdienstliche Sportausübung der Polizeibeamten durch den Dienstherrn gefördert werden wird. Zumindest werde ich beim Training immer von meinen Bekannten gefragt, ob ich Zuschüsse für die Mitgliedsbeiträge bekomme. Pustekuchen, Herr Steuerzahler. Meine Behörde genehmigt großzügigerweise die Veranschlagung von zwei Stunden Arbeitszeit pro Monat für das außerdienstliche Betreiben von Sport, und das wars. Ach ja, die Stunden bekommt man nur, wenn der Sport unmittelbar vor oder nach dem Dienst betrieben wird, was bei den gängigen Vereinstrainingszeiten am frühen Abend ein Ding der Unmöglichkeit ist.

Insofern besteht die einzige Förderung, in deren Genuß der außerdienstlich trainierende Polizist bei uns kommen kann, in der Gewährung von Dienstunfallschutz für die Sportausübung. Obwohl das eigentlich nur halb stimmt. Tatsächlich gibt es Dienstunfallschutz nur für einen begrenzten Katalog an etablierten Vereinssportarten. Sobald es etwas exotischer wird, lehnt der Dienstherr das kategorisch ab... nicht wegen irgendwelchen vermuteten Gefährlichkeiten, sondern weil die genehmigungsfähigen Sportarten abschließend aufgezählt sind und mein Bundesland zu bürokratisch, zu unflexibel und vermutlich zu geizig ist, um das zu ändern. Das führt zu der abstrusen Situation, daß ich zwar Dienstunfallschutz für höchst polizeirelevante Sportarten wie Kegeln oder Basketball bekommen kann, aber nicht für MMA, Escrima oder Thaiboxen.

Insofern muß der Ist-Zustand wie folgt beschrieben werden: der Polizeibeamte meines Bundeslandes, der sich die für die Berufsausübung notwendige Fitness erhalten (und damit seiner beamtenrechtlich vorgeschriebenen Pflicht zur vollen Hingabe zum Beruf nachkommen) möchte, muß dies in aller Regel a) außerdienstlich ohne Vergütung, b) auf eigene Kosten und c) je nach Sportart vielfach auf eigenes gesundheitliches Risiko tun. Was die Folge dieses Sachstandes ist, braucht wohl nicht weiter erläutert zu werden.

Dabei gibt es anderswo einschlägige Gegenbeispiele. Da ist mir doch neulich zu Ohren gekommen, daß eine Polizeibehörde in einem anderen Bundesland zusammen mit einigen anderen Behörden und Firmen einen Betriebssportrahmenvertrag mit einem großen Fitness-Studio abgeschlossen hat, der es allen Bediensteten erlaubt, dort für die spottbillige Selbstbeteiligung von 6,- (in Worten: sechs) Euro im Monat zu trainieren. Das ist diejenige Förderung, die ich mir von einer verantwortungsbewußten und mitdenkenden Behördenleitung wünschen würde... aber vermutlich wird das bei uns auch weiterhin illusorisch bleiben.

Wir wollen also im Interesse des unangekratzten Images unserer (polizeilichen und politischen) Führung hoffen, daß unser eingangs erwähnter Steuerzahler diesen Blödsinn nicht mitbekommt. Ansonsten könnte er nämlich mit einer gewissen Berechtigung die Frage aufwerfen, wofür er denn eigentlich soviel Steuern bezahlt, wenn die aus den besagten Steuergeldern bezahlten Ordnungshüter nicht einmal die Möglichkeit bekommen, sich für ihren Job fitzuhalten.

*EPLA = Europäisches Polizei-Leistungsabzeichen (Laufen, Schwimmen, Schießen)

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