Sonntag, 30. August 2009

Schwarzer Peter

Es ist wieder mal Samstag und ich habe Nachtdienst. Grundsätzlich ist das eine tolle Sache, denn Wochenendnachtdienste gestalten sich in aller Regel erlebnisreich und ohne viel Langeweile. Der mündige Bürger, der die gesamte Woche über im Schweiße seines Angesichts mit Drogen gehandelt, Einzelhandelsgeschäfte aufgebrochen, Autos geknackt, kostenneutrale Einkäufe im Supermarkt getätigt oder einfach auf seine Hartz-IV-Mäuse gewartet hat, will nun nämlich ordentlich einen draufmachen und sich von den Strapazen seines Erwerbslebens erholen (was überwiegend durch Konsum größerer Mengen Billig-Sprit erfolgt).

Leider bringt das neben viel Entertainment für den aufgeschlossenen Schutzmann auch mitunter unappetitliche Begleiterscheinungen in Form von Schnapsleichen mit komplettem Kontrollverlust über ihre Körperfunktionen mit sich.

Und so meldet ein besorgter Spaziergänger auch dieses Mal wieder eine hilflose Person neben der "Lagune". Die "Lagune" ist unser prominentester Sozialblock-Schnapsbunker und Treffpunkt der gesamten Ghettoprominenz der Stadt. Das Los trifft natürlich uns, und mein Streifenpartner ergötzt sich während der gesamten Anfahrt an der Vorstellung, jemand könnte allen Ernstes an einem Sonntagmorgen um vier neben der "Lagune" spazierengehen.

Als wir ankommen, sehen wir schon von weitem die üblichen Stammgäste auf der Terrasse herumlungern. Das Corpus delicti sitzt zusammengesunken auf einem Stuhl und wird von einer eher verlebt aussehenden Dame zärtlich im Arm gehalten.

"Ist er das?" fragt mein Partner, worauf eine der noch stehenden Schnapsleichen leicht genervt bestätigt: "Ja, das is der Typ, den meine Freundin gerade im Arm hält..."

Au weia, der Haussegen hängt hier also auch schon schief. Ich beuge mich zu unserem Kunden herunter und frage ihn nach seinem Namen. "Brüllen Sie ihn nicht so an, ich glaube, er hat gerade etwas Vertrauen zu mir gefaßt!", empört sich die Samariterin. "Hmgrllbllööörks!" bestätigt der Kunde und läßt den Kopf wieder nach vorne auf seine vollgekotzte Jacke sacken.

"Ich glaube, er versteht unsere Sprache nicht," springt eine zweite versiffte Alkoholikerin in die Bresche. "Duh juh spiehk Englisch?" Mein Partner und ich sehen uns an und müssen beide um unsere Fassung ringen. "Abwwwhglmpff... *rörks*", stellt der Kunde fest. "Sehen Sie, jetzt versteht er uns!", jubelt die Samariterin, die anscheinend auch ihre Sprachkenntnisse unter Beweis stellen möchte. "Wott is juhr näim?"

"Ey, ruf isch Taxi, kann deine Freundin ihn mit nach Hause nehm", schlägt der anatolische Wirt der "Lagune" vor, was den Freund der Samariterin zu lautstarkem Protest veranlaßt.

Ich verliere nunmehr vollends meine Contenance und breche in schallendes Gelächter aus. Dies bewegt unseren Kunden augenscheinlich zu einer letzten heroischen Anstrengung. Er erhebt sich aus seinem Stuhl, sackt nach vorne und bremst abrupt und lautstark mit seiner Stirn auf der Kante des Nachbartisches.

Es knallt, die wohltätigen Damen kreischen und die Polizei grinst. "Schick uns mal bitte einen Rettungswagen," informiere ich die Leitstelle, während ich den Personalausweis aus seiner Hosentasche angele und mir den High-Five mit meinem Partner verkneife. In Gedanken probe ich schon mal das ernsthafte Gesicht, das ich gegenüber den Sanis machen werde. Damit sind wir jedenfalls aus der Nummer raus und müssen das auswurfverzierte Etwas nicht in unseren Streifenwagen wuchten. Wunschgemäß verfrachtet die RTW-Besatzung ihn dann auch gleich ins Krankenhaus und verordnet ihm alles, was die moderne Heilkunde an Scans und Dingsbumsgraphien zu bieten hat.

Inzwischen ist die gute Laune wieder in der "Lagune" eingekehrt, die Samariterin hat ihre Sorgen vergessen, die Runden Billig-Pils werden fleißig ausgeschenkt und wir sind auf dem Weg zum nächsten Einsatz. Immerhin ist Monatsanfang, und es ist noch ordentlich was von der Stütze übrig.

Ob sich unser Kunde (der natürlich ein deutscher Eingeborener ist) über die freundliche Behandlung gefreut hat, ist nicht verbürgt. Aber ich werde ihn fragen, wenn ich ihn im nächsten Wochenendnachtdienst wiedersehe. Ob er mir dann antworten können wird, ist eine andere Frage...

Mittwoch, 26. August 2009

Rüstungsfragen

Der geneigte Leser wird sich sicherlich noch an die Zeiten erinnern, als er in der Schule klassische mittelhochdeutsche Dichtung büffeln durfte... namentlich das Nibelungenlied. Wie die Sage berichtet (und unzählige, mehr oder weniger kitschige Theaterstücke, Opern und Filme nachplappern), erlangte Siegfried von Xanthen Unverwundbarkeit, indem er im Blut des von ihm erschlagenen Drachen badete... bis auf eine kleine Stelle auf dem Rücken, die beim Baden versehentlich von einem Blatt bedeckt worden war. Durch Kenntnis dieser Schwachstelle konnte sein Rivale Hagen von Tronje ihn schließlich hinterrücks umbringen.

Vermutlich dürfte sich dieser Kollege im Nachhinein auch gewünscht haben, über so eine legendäre Gabe zu verfügen. Dann wäre ihm nämlich ein lebensbedrohlicher Brustdurchschuß erspart geblieben. Da wir uns nun nicht in mythischer Vorgeschichte, sondern im Deutschland des 21. Jahrhunderts befinden, ist dieser Wunsch natürlich illusorisch.

Überhaupt nicht illusorisch ist dagegen die Idee, doch einfach mal die Schutzweste anzuziehen. Das ist zwar längst nicht so toll wie eine unverwundbare Drachenbluthaut, hat aber den Vorteil, daß sie zumindest für die meisten Polizeibeamten vorhanden ist.

Tatsächlich tun dies aber viele Kollegen nicht bzw. nur gelegentlich, weil die Bequemlichkeit dann - wie so oft - doch die Oberhand über taktische Erwägungen gewinnt. Das ist ein völlig inakzeptabler Zustand. Natürlich ist es im Sommer bei warmen Temperaturen unbequem, unter einer Unterziehschutzweste zu schwitzen. Ich wage aber mal die Prognose, daß eine Schußverletzung im Brustkorb noch deutlich unbequemer ist.

Und wie der oben zitierte Vorfall (wieder einmal) zeigt, kommt sowas trotz allem Schöngerede darüber, wie sicher Deutschland ist, immer mal wieder vor. Auch wenn wir keine Thronfolgestreitigkeiten am burgundischen Königshof mehr ausfechten. Es genügt schon eine häusliche Gewalt, ein Raubüberfall, ein Einbrecher auf frischer Tat oder einer der tausend anderen Routineeinsätze, die jeder von uns regelmäßig hat und die womöglich beim tausendundersten Mal schiefgehen.

Leider herrscht im Kollegenkreis bei vielen Leuten nach wie vor die potentiell tödliche Einstellung "Mir wird das schon nicht passieren" vor, und die Weste wird entweder überhaupt nicht oder nur im Nachtdienst angezogen. Anscheinend muß man manche Leute tatsächlich zu ihrem Glück zwingen. In diesem Sinne wünsche ich mir deswegen, daß der Dienstherr ein einziges Mal gesunden Menschenverstand zeigt und eine generelle Trageverpflichtung für die Schutzweste verfügt, die konsequent (und ggf. mit Sanktionen) durchgesetzt wird.

Ich habe es nämlich satt, von meinen Kollegen immer wieder zu hören: "Wieso, ist doch meine Sache." Nein, mein Freund, das ist es eben nicht. Wenn wir zusammen auf dem Funkwagen sitzen, ist es UNSERE Sache, denn wenn du zusammengeschossen wirst, kannst du mir nicht mehr den Rücken freihalten. Und ich habe keinerlei Bedürfnis danach, daß deine Sorglosigkeit irgendwann mal mein Ticket in die ewigen Jagdgründe wird.

Allerdings kann man die Schuld für diese Zustände nicht komplett den Kollegen selbst in die Schuhe schieben. Es gibt nämlich auch heute immer noch Polizeibeamte, die von ihrem Arbeitgeber 1.) nicht mit einer persönlich zugewiesenen Schutzweste ausgestattet worden sind, und 2.) aufgrund ihrer sehr großen oder sehr kleinen Größe auch keine Weste aus den Dienststellenpools benutzen können.

Diese Kolleginnen und Kollegen fahren jeden Tag und jede Nacht zu riskanten Einsätzen, während sie über Monate und Jahre hinweg darauf warten, daß das Budget der Behörde mal wieder die Beschaffung von weiteren Westen zuläßt. Als Beispiel für die sprichwörtliche Nibelungentreue kann man dieses unsäglich verantwortungslose Verhalten des Dienstherrn wohl kaum bezeichnen.

Sonntag, 16. August 2009

Leibesertüchtigung

... ist eine sehr wichtige Sache für den Polizeibeamten. Findet zumindest der mündige, steuerzahlende Bürger. Denn die Polizeibeamten müssen ja regelmäßig flüchtenden Straftätern hinterherlaufen und sich mit selbigen prügeln. Das weiß er, weil er aufmerksam die polizeilichen Pressemeldungen in der Lokalzeitung verfolgt. Und außerdem war da ja neulich was im Radio, daß die Gewalt gegen Polizeibeamte auf Deutschlands Straßen immer mehr zunimmt.

Der Steuerzahler geht also grundsätzlich erstmal davon aus, daß bei der Polizei viel Wert auf Fitness gelegt und ordentlich Sport getrieben wird. In der Firma, in der der Steuerzahler arbeitet, legt der Chef ja schließlich auch gesteigerten Wert darauf, daß alle Mitarbeiter umfassend für ihren Job qualifiziert sind. Außerdem studiert der Neffe seines Schwagers gerade an der Polizeiakademie, und der hat neulich erst irgendwas von Sportleistungsabnahmen erzählt.

Im Interesse ihres eigenen Ansehens sollte die Polizeiführung meines Bundeslandes lieber hoffen, daß unser Bürger nicht so bald näheren Kontakt zu einem "fertigen" Polizeibeamten bekommt. Ansonsten bestünde nämlich die Gefahr, daß er mitbekommt, wie es um den Sport in der Polizei nach Ende der Ausbildung tatsächlich bestellt ist. Er wäre bestimmt enttäuscht, wenn er erfährt, daß die Beamten, die er immer im Streifenwagen durch seine Heimatstadt fahren sieht, sich mitnichten jede Woche beim Dienstsport fithalten.

Stattdessen müßte er hören, daß die Anzahl der Stunden, die pro Monat für den Dienstsport vorgesehen sind, deutlich im unteren einstelligen Bereich liegen, und daß sich das Angebot in vielen Dienststellen auf die Klassiker "Lauftreff" und "Fußball" beschränkt. Weiterhin müßte er feststellen, daß zwar theoretisch vorgeschrieben ist, daß jeder Polizeibeamte jedes Jahr einen Sportleitungsnachweis (z.B. durch EPLA*, das deutsche Sportabzeichen oder einen kombinierten Fitnesstest) zu erbringen hat, daß dies aber in den allermeisten Dienststellen nicht mal ansatzweise durchgesetzt wird.

Nun mag unser Bürger mutmaßen, daß dann doch sicherlich die außerdienstliche Sportausübung der Polizeibeamten durch den Dienstherrn gefördert werden wird. Zumindest werde ich beim Training immer von meinen Bekannten gefragt, ob ich Zuschüsse für die Mitgliedsbeiträge bekomme. Pustekuchen, Herr Steuerzahler. Meine Behörde genehmigt großzügigerweise die Veranschlagung von zwei Stunden Arbeitszeit pro Monat für das außerdienstliche Betreiben von Sport, und das wars. Ach ja, die Stunden bekommt man nur, wenn der Sport unmittelbar vor oder nach dem Dienst betrieben wird, was bei den gängigen Vereinstrainingszeiten am frühen Abend ein Ding der Unmöglichkeit ist.

Insofern besteht die einzige Förderung, in deren Genuß der außerdienstlich trainierende Polizist bei uns kommen kann, in der Gewährung von Dienstunfallschutz für die Sportausübung. Obwohl das eigentlich nur halb stimmt. Tatsächlich gibt es Dienstunfallschutz nur für einen begrenzten Katalog an etablierten Vereinssportarten. Sobald es etwas exotischer wird, lehnt der Dienstherr das kategorisch ab... nicht wegen irgendwelchen vermuteten Gefährlichkeiten, sondern weil die genehmigungsfähigen Sportarten abschließend aufgezählt sind und mein Bundesland zu bürokratisch, zu unflexibel und vermutlich zu geizig ist, um das zu ändern. Das führt zu der abstrusen Situation, daß ich zwar Dienstunfallschutz für höchst polizeirelevante Sportarten wie Kegeln oder Basketball bekommen kann, aber nicht für MMA, Escrima oder Thaiboxen.

Insofern muß der Ist-Zustand wie folgt beschrieben werden: der Polizeibeamte meines Bundeslandes, der sich die für die Berufsausübung notwendige Fitness erhalten (und damit seiner beamtenrechtlich vorgeschriebenen Pflicht zur vollen Hingabe zum Beruf nachkommen) möchte, muß dies in aller Regel a) außerdienstlich ohne Vergütung, b) auf eigene Kosten und c) je nach Sportart vielfach auf eigenes gesundheitliches Risiko tun. Was die Folge dieses Sachstandes ist, braucht wohl nicht weiter erläutert zu werden.

Dabei gibt es anderswo einschlägige Gegenbeispiele. Da ist mir doch neulich zu Ohren gekommen, daß eine Polizeibehörde in einem anderen Bundesland zusammen mit einigen anderen Behörden und Firmen einen Betriebssportrahmenvertrag mit einem großen Fitness-Studio abgeschlossen hat, der es allen Bediensteten erlaubt, dort für die spottbillige Selbstbeteiligung von 6,- (in Worten: sechs) Euro im Monat zu trainieren. Das ist diejenige Förderung, die ich mir von einer verantwortungsbewußten und mitdenkenden Behördenleitung wünschen würde... aber vermutlich wird das bei uns auch weiterhin illusorisch bleiben.

Wir wollen also im Interesse des unangekratzten Images unserer (polizeilichen und politischen) Führung hoffen, daß unser eingangs erwähnter Steuerzahler diesen Blödsinn nicht mitbekommt. Ansonsten könnte er nämlich mit einer gewissen Berechtigung die Frage aufwerfen, wofür er denn eigentlich soviel Steuern bezahlt, wenn die aus den besagten Steuergeldern bezahlten Ordnungshüter nicht einmal die Möglichkeit bekommen, sich für ihren Job fitzuhalten.

*EPLA = Europäisches Polizei-Leistungsabzeichen (Laufen, Schwimmen, Schießen)

Samstag, 15. August 2009

Schuldbewußt

Betrunkene Leute sind unzurechnungsfähig und bauen mit schöner Regelmäßigkeit kapitalen Mist. Diese Grundwahrheit kennt jeder, der im Blaulichtmilieu seine Brötchen verdient... Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst, und ebenso alle Securities und Gastronomen.

Nun kann ich es nachvollziehen, daß man im Zustand gesteigerter Lebensfreude mitunter impulsive Sachen sagt und tut, die man eigentlich gar nicht so meint und im nüchternen Zustand nie tun würde. Ich verstehe allerdings trotz ganz erheblicher geistiger Anstrengung meinerseits nach wie vor nicht, warum derart viele Besoffene darauf bestehen, Dinge zu tun, bei denen jeder normale Mensch sofort sagen würde, "Das kann nie im Leben gutgehen", obwohl ich ihnen mit Engelsgeduld eine halbe Stunde lang erklärt habe, was die Konsequenzen für sie sein werden.

Besonders augenfällig wird das immer wieder bei Ruhestörungseinsätzen. Der Nachbar ruft an und beschwert sich über massiven Lärm zu nachtschlafender Zeit, worauf die Funkstreife vorfährt, den Verursacher höflich zur Ruhe ermahnt und für den Fall der Nichtbefolgung unangenehme Konsequenzen wie die Auflösung der Party und die Mitnahme der Stereoanlage in ausführlicher Weise androht.

Anstatt das nun aber als rechtzeitigen Fingerzeig zu nehmen, daß die Zeit für lautstarkes Feiern jetzt vorbei ist, scheint ein erheblicher Teil unserer "Kunden" dies als Aufforderung zu einem Wettkampf mit dem Inhalt "Wetten, daß ich die Musik wieder auf volle Lautstärke stellen kann, bevor ihr hundert Meter weit weg seid?" zu interpretieren.

Wüste Worte fallen, die man am besten mit "Das ist mein Haus, und hier könnt ihr blöden Bullen mir gar nix!" zusammenfassen können. Tun wir aber doch. Und nachdem augenscheinlich keine Besserung in Sicht ist, hingegen aber einschlägige Drohungen gegen die strukturelle Integrität meiner Schädeldecke ausgesprochen (bzw. gelallt) werden, tritt der Verursacher eine kurze Flugreise Richtung Boden an, bekommt eine kostenpflichtige Fahrt im blau-silbernen Taxi zur Dienststelle und eine Unterbringung in der Präsidentensuite bis zur Ausnüchterung.

Nun sollte man meinen, daß dann am nächsten Morgen der große Katzenjammer und die Einsicht in die eigene Dummheit einsetzt. Weit gefehlt, es gibt nur scheele Blicke und ein gemurmeltes "Warte ab, wir sehen uns noch mal privat..."

Dabei geht es doch auch anders. Der mündige Verkehrsteilnehmer ist nicht angegurtet, kommt dem Anhaltezeichen mit der Kelle nicht nach und verhält sich nach Antreffen an der Wohnanschrift derart rotzfrech und aggressiv, daß er um Haaresbreite in Handschellen auf dem Boden landet. Der Schutzmann schreibt ein Ticket, man raunzt sich gegenseitig an und trennt sich in unschöner Stimmung. Keine fünf Minuten später springen mir jedoch beinahe die Augen aus dem Kopf... unser Kunde hat soeben auf der Dienststelle angerufen, sich wortreich für sein unverschämtes Benehmen entschuldigt (das er nur wegen hohem beruflichem Streß an den Tag gelegt habe) und erklärt, er verdiene das Ticket voll und ganz.

Sowas habe ich in meiner bisherigen beruflichen Karriere nur einmal erlebt... es mag allerdings auch daran gelegen haben, daß der gute Mann stocknüchtern war.

Disclaimer: natürlich gibt es Momente, in denen es Entschuldigungen geradezu hagelt. In aller Regel passiert das, kurz bevor die Hauptverhandlung des Strafverfahrens beginnt... wenn der Anwalt seinem Mandanten rät, vor dem Urteilsspruch doch langsam mal lieber einen guten Eindruck zu machen.

Donnerstag, 13. August 2009

Ferien

Die Sommerferien sind vorbei... und man merkt es deutlich an der abnehmenden Anzahl der Einsätze. Anscheinend gibt es bei uns in der Gegend genügend erlebnisorientierte Jugendliche, die nicht etwa verreisen, sondern ihre schulfreie Zeit lieber damit verbringen, sich sinnlos die Kante zu geben, lattenstramm auf der Straße rumzuliegen oder sich nächtlichen Abenteuerspielen hinzugeben, die eine "Schatzsuche" in fremden Immobilien beinhalten.

So sehr ich es selber früher geschätzt habe, mich wochenlang bei warmem Sommerwetter nur dem süßen Nichtstun hinzugeben, frage ich mich doch trotzdem langsam, ob unsere vormaligen östlichen Nachbarn nicht damals mit ihrer Ferienlagerverschickung doch eine ganz brauchbare Idee hatten. Andererseits haben wir seinerzeit unsere Ferien auch nicht darauf verwendet, in die Schule zu gehen... nachts durchs Dachfenster.

Wie dem auch sei, solange uns die bundesdeutsche Gerichtsbarkeit auch weiterhin so zur Seite steht wie bisher, müssen wir uns auch nach Ferienende keine Sorgen um unsere Beschäftigung machen. Nehmen wir mal an, in einer hypothetischen mittelgroßen Stadt ereignet sich eine Serie von Einbrüchen in Arztpraxen. Die beiden hypothetischen Täter werden irgendwann erwischt und geben freimütig zu, bislang schon etwa dreißig (!!) Arztpraxen abgearbeitet zu haben.

Nun mag der geneigte Leser vermuten, daß die beiden Herren doch nun bestimmt in U-Haft wandern. Weit gefehlt... tatsächlich werden sie nach Ende der Vernehmung wieder auf freien Fuß gesetzt und der hypothetische Schutzmann ärgert sich.

Das ist nun aber noch lange nicht das Ende des Dramas. Tatsächlich gehen die Einbrüche weiter, und einer der beiden wird wenige Tage später wieder auf frischer Tat erwischt, nachdem er erfolglos versucht hat, in zwei weitere hypothetische Arztpraxen einzubrechen. Und weil sich die Lebensumstände des hypothetischen Beschuldigten in den vergangenen Tagen nicht wirklich geändert haben, wird auch weiterhin entschieden, daß wohl keine Flucht- oder Verdunkelungsgefahr besteht und somit kein Haftgrund vorliegt.

"Aber da gibts doch noch sowas wie Wiederholungsgefahr", wirft der interessierte Laie ein. "Pustekuchen", sagt Justitia... solange der Täter nicht auf eine Verurteilung wegen desselben Delikts in den vergangenen zwölf Monaten zurückblicken kann, liegt auch keine Wiederholungsgefahr im Sinne der Strafprozeßordnung vor.

Auf Deutsch gesagt, solange unser hypothetischer Freund nicht unlängst wegen eines Einbruchs in eine Arztpraxis (nicht etwa in einen Kiosk, ein Autohaus oder einen Gemischtwarenladen) verknackt worden ist, darf er weitermachen, bis irgendwann mal die Zeit reif für die Hauptverhandlung ist und ein Urteil gesprochen wird. Wann das sein wird, ist schwer zu sagen... in Arztpraxen ausgedrückt, tippe ich auf eine dreistellige Zahl.