Montag, 29. September 2008

Nachtrag

Wie sich inzwischen herausgestellt hat, lag ich mit meiner hier geäußerten Vermutung, daß die Täter im Kölner Hinterhaltsfall die Erbeutung von Dienstwaffen beabsichtigten, anscheinend goldrichtig. Die drei flüchtigen Täter sind mittlerweile ermittelt worden, befinden sich in Untersuchungshaft und haben in ihren Vernehmungen angegeben, daß sie den eingesetzten Polizeibeamten tatsächlich die Waffen abnehmen wollten. Es handelt sich um Jugendliche türkischer und iranischer Abstammung.

Was sie darüberhinaus noch ausgesagt haben, ist jedoch noch erschreckender. Sie haben nämlich übereinstimmend angegeben, daß sie sich dem Dschihad verpflichtet fühlen und die Absicht hatten, die beiden Polizeibeamten anschließend mit Messern lautlos und unauffällig zu töten und mit den erbeuteten Waffen Anschläge auf US-amerikanische Militäreinrichtungen in Heidelberg zu verüben.

Ich erspare mir weitere Kommentare dazu... bis auf etwas, das jeder Polizeibeamte zu seinem Mantra machen sollte... "Never, ever give up!"

Mittwoch, 24. September 2008

Hinterhalt

Im Oktober 1991 wurden im niedersächsischen Holzminden zwei Polizeibeamte mittels einer fingierten Verkehrsunfallmeldung in einen Hinterhalt gelockt und von den Tätern mit einem Sturmgewehr erschossen.

Heute, siebzehn Jahre danach, berichtet die Polizei Köln von einem ähnlich gelagerten Fall, bei dem glücklicherweise kein Polizeibeamter zu Schaden kam. Ein Anrufer meldet eine hilflose Person. Als die eingesetzte Streifenbesatzung sich der auf dem Fußweg liegenden männlichen Person nähert, springt diese auf, während gleichzeitig zwei weitere Männer aus dem Wald kommen und die Beamten mit Schußwaffen bedrohen. Die Beamten fordern die Täter auf, die Waffen abzulegen. Als diese der Aufforderung nicht nachkommen, geben sie zwei Warnschüsse ab, worauf die Täter flüchten und dabei mehrfach in Richtung der Polizeibeamten schießen. Später wird am Tatort eine Schreckschuß-Pumpgun gefunden.

Dieser Ereignisablauf zeigt in meinen Augen drei fundamental wichtige Dinge auf:

1. Es gibt keine Routineeinsätze... zumindest sollte man sein Möglichstes tun, um sie nicht als solche zu betrachten. Eine derartige unschöne Überraschung kann im Verlauf jedes Einsatzes auftreten. Jeder von uns sollte sich dazu erziehen, auch bei scheinbar belanglosen Einsätzen aufmerksam an die Situation heranzugehen, nichts als gegeben vorauszusetzen und seine Wachsamkeit niemals aufzugeben. Das ist schwierig, insbesondere wenn man schon ein paar Jahre Diensterfahrung hinter sich hat, aber es könnte eines Tages unsere Haut retten.

2. Eine Warnung ist in einer Notwehrsituation ein unnötiges Risiko. Wenn die Täter in dem vorliegenden Fall die Absicht gehabt hätten, die Polizeibeamten (wie seinerzeit in Holzminden) zu töten, hätte ihnen die Androhung des Schußwaffengebrauchs durch verbale Aufforderung und Warnschüsse womöglich genau die zwei, drei Sekunden an zusätzlicher Zeit gegeben, die sie gebraucht hätten. Im übrigen ergibt die rechtliche Würdigung, daß die meisten Polizeigesetze der einzelnen Bundesländer heutzutage die Androhung des Schußwaffengebrauchs nur dann fordern, wenn der Beamte sich dadurch nicht selber unverhältnismäßig gefährdet. Ich beglückwünsche die Kollegen zu dem guten Ausgang der Situation... aber in dem Moment, in dem ich mit einer Schußwaffe bedroht werde, ist die adäquate Reaktion meinerseits der sofortige Einsatz meiner eigenen Waffe in Verbindung mit einer sofortigen entschlossenen Bewegung in Deckung und aus der Angriffsrichtung heraus. Jedes Zögern kann sich fatal auswirken.

3. Die Schlußfolgerung liegt nahe, daß die Täter hier beabsichtigt haben, sich auf diese Weise scharfe Dienstwaffen zu verschaffen. Der Vorfall zeigt auf eindrucksvolle Art und Weise, daß es in einer derartigen Lage ein Kapitalfehler wäre, die eigene Waffe aufzugeben. Diese Grundregel sollte sich jeder Berufswaffenträger unauslöschlich einprägen. In der Vergangenheit hat es immer wieder Fälle gegeben, in denen Polizeibeamte in einer Bedrohungslage ihre Waffen und sich selber aufgegeben haben, und meistens ist es nicht gut ausgegangen. Wenn ich meine Waffe behalte und den Anweisungen des Täters nicht nachkomme, riskiere ich zwar eine Eskalation der Lage, aber ich behalte meine Handlungsfreiheit und meine Chance auf entschlossene Gegenwehr. Vielleicht werde ich dabei verletzt, vielleicht auch getötet, aber ich habe zumindest eine reelle Chance, den Ausgang der Situation in meinem Sinne zu beeinflussen. In dem Moment jedoch, in dem ich meine Waffe aufgebe, liefere ich mich buchstäblich der Gnade des Täters aus... ich mache mein Leben und meine Gesundheit vollständig von seiner Entscheidung abhängig, und das ist nicht akzeptabel bzw. mindert meine Chancen noch viel gravierender. In diesem Sinne meinen Respekt für die beiden Kollegen, die in dieser Situation das Richtige getan und sich gewehrt haben.

Sonntag, 21. September 2008

Getting off the X

Lieber Leser, markiere bitte einmal ein gut sichtbares "X" auf den Fußboden. Nun stell dich auf das X und bitte deinen Kumpel, dich aus einer Entfernung von einigen Metern überraschend mit etwas anzugreifen... einem Trainingsmesser aus Gummi, einer Softair-Pistole oder was auch immer (Disclaimer: falls du diese Aufforderung wörtlich nimmst und dabei keine Schutzausstattung benutzt, bekommst du von mir keinen Cent Schmerzensgeld).

Wenn dein Kumpel ehrlich mit dir ist und dich ernsthaft angreift, wirst du feststellen, daß du im Grunde nur dann eine (kleine) Chance hast, einigermaßen "lebendig" (im simulierten Sinne) aus der Situation herauszukommen, wenn du das X möglichst schnell und dynamisch in seitlicher oder schräger Richtung verläßt und während der Bewegung deine eigene Waffe ziehst und zum Einsatz bringst.

Warum das so ist, erklärt sich im Grunde von selbst. Für einen Ziehvorgang benötigt selbst ein gut trainierter Schütze unter optimalen Bedingungen mindestens eine Sekunde. Durch mangelndes Training oder ungünstige Startbedingungen kann sich diese Zeitspanne sehr schnell auf mehrere Sekunden verlängern. Bleibst du während dieser Zeit auf dem X stehen, bietest du für mindestens eine Sekunde (eher mehr) ein vollkommen stationäres Ziel. Und jeder, der sich auch nur ansatzweise mit Selbstverteidigung oder Einsatztraining beschäftigt hat, weiß, daß unter solchen Umständen eine Sekunde durchaus eine halbe Ewigkeit sein kann. Nutzst du diese Zeitspanne dagegen für eine entschlossene Ausweichbewegung, verringerst du die Zielsicherheit deines Gegners meßbar und zwingst ihn, sich neu zu orientieren.

Letztlich sollte bei der Abwägung der Frage, ob das Ausweichen oder das Einwirken auf den Gegner wichtiger ist, die fundamentale Tatsache berücksichtigt werden, daß es sich hier nicht um eine unbewaffnete Auseinandersetzung handelt, in der man bestimmte Treffer bewußt in Kauf nehmen und wegstecken kann, sondern daß wir über einen Angriff mit einer tödlichen Waffe reden und daß ein einziger Treffer bereits für uns das Aus bedeuten kann - für immer. Unter diesen Umständen muß man zwangsläufig zu dem Schluß kommen, daß der sofortige Schutz des eigenen Lebens durch Ausweichen eine höhere Priorität hat als das unverzügliche Einwirken auf den Angreifer.

Diese Reaktion verlangt natürlich ein gewisses Training, da es unter motorischen Gesichtspunkten nicht ganz einfach ist, aus einer schnellen Bewegung heraus zuverlässig auf seine Waffe zuzugreifen und einen sicheren Griff zu erreichen. Auch das Schießen aus der Bewegung ist etwas, das einige Übung verlangt. Und schließlich muß auf einer ganz grundlegenden Ebene erstmal der Automatismus "Ich werde angegriffen, also sehe ich zuerst zu, daß ich wegkomme" geschaffen und verankert werden. Ich gebe jederzeit zu, daß ich selber auch noch viel daran zu arbeiten habe.

Leider scheinen diese simplen (und äußerst einfach nachprüfbaren) Einsichten in der polizeilichen Aus- und Fortbildung überwiegend nicht angekommen zu sein. Der hauptsächliche Anteil des polizeilichen Schießtrainings beschäftigt sich mit der Zielsetzung, aus einer komplett stationären Position heraus die Waffe zu ziehen und zu schießen, ohne auch nur im Ansatz zu berücksichtigen, daß diese Handlungsweise im Ernstfall lebensgefährlich ist. Das höchste der Gefühle ist hier ein kleiner Alibi-Ausweichschritt nach dem Ziehvorgang, nach dem wieder gemütlich stehengeblieben und das Ziel in aller Ruhe mit Blei eingedeckt wird.

Getreu dem Sprichwort "Train as you fight because in the end you'll fight as you train" wird das aber unweigerlich dazu führen, daß die oben beschriebenen überlebenswichtigen Handlungsmuster im Ernstfall bei den Kollegen nicht vorhanden sein werden. Ein einsatzmäßiges Schießtraining, das ausschließlich vor einer zweidimensionalen Filmleinwand stattfindet, auf der lustige Videoszenarios ablaufen, fördert allenfalls Auge und Waffenhandling, nicht aber taktisch sinnvolles Verhalten.

Nun mag man einwenden, daß derartige Dinge ohnehin eher in den Bereich des Einsatztrainings gehören. Diese Überlegung ist tatsächlich insofern nicht ganz falsch, als daß diese Inhalte in letzter Konsequenz nur mit Simulationswaffen und menschlichen Trainingspartnern in einer dreidimensionalen Umgebung sinnvoll vermittelt werden können - zum Beispiel mit den im SET (Systemisches Einsatztraining) verwendeten FX-Trainingswaffen.

Die Problematik setzt sich allerdings darin fort, daß derartiges "technisches" Training, also das zielgerichtete Eindrillen von simplen, grundlegenden Handlungsmustern für Hochstreßsituationen durch eine hohe Wiederholungsfrequenz auch im SET nicht stattfindet. Leider erschöpfen sich die SET-Inhalte überwiegend in umfangreichen, komplexen Vollszenarios, deren Hauptziel es ist, die Fähigkeit zum Treffen von komplexen taktischen Entscheidungen zu schulen und in denen "handwerkliche" Basisfähigkeiten wie Schießen und Waffenhandhabung bestenfalls kurz an der Oberfläche angerissen werden. Das ist selbstverständlich auch eine wichtige Sache, aber auf diese Weise wird im Prinzip ein Großteil des Trainingspotentials, das das von meinem Bundesland für viel Geld beschaffte FX-Waffensystem theoretisch bietet, gedankenlos verschwendet bzw. bleibt ungenutzt.

Was dem interessierten Beamten in letzter Konsequenz bleibt, ist nur eins: in die einschlägige US-Fachliteratur zum Thema "Force-on-force Training" einsteigen, gleichgesinnte Kollegen suchen, sich zivil erhältliche Trainingswaffen (Softair, RAM o.ä.) beschaffen und sich außerdienstlich in Eigenregie um sein Training kümmern... auch wenns mit zeitlichem und finanziellen Aufwand verbunden ist.

Schade eigentlich... denn auf diese Weise werden die von mir angesprochenen Inhalte einen Großteil der Kollegen niemals erreichen.

Komplimente

Ein lebenserfahrener Mann schrieb einmal sinngemäß, einer Frau Komplimente zu machen sei ungefähr so ähnlich wie Topfschlagen in einem Minenfeld zu spielen. In Anbetracht der nachgewiesenen vollkommenen Unberechenbarkeit des schönen Geschlechts und seiner Neigung, sich zuweilen in einer Art und Weise zu benehmen, die bei uns (nämlich den normalen Menschen, die im Stehen pinkeln können) nichts als Fragezeichen zurückläßt, bin ich geneigt, dieser Ansicht mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit zuzusprechen.

Allerdings muß man der Fairness halber sagen, daß mancher Komplimentespender sich die Sache auch selbst unnötig schwer macht... zum Beispiel wie dieser junge Mann mit nahöstlichem Migrationshintergrund, nennen wir ihn mal M.

M. hängt neulich mit seinem Kumpel spätnachts am ZOB herum und erblickt eine Gruppe von Jungs und Mädels, die sich derselben Freizeibeschäftigung hingeben. Er entdeckt ein weibliches Geschöpf unter ihnen, das seine Aufmerksamkeit weckt, und beschließt sogleich, ihr kundzutun, wie sehr ihre Ausstrahlung, ihr Witz und ihr wacher Geist ihn faszinieren.

Okay, er hätte vielleicht vorher darauf kommen können, daß die Formulierung "Hey du! Du siehst voll geil aus, kannstu auch in Pornofilm mitmachen!" nicht unbedingt geeignet ist, um sie ihm gewogen zu machen. Spätestens aber hätte ihm das auffallen müssen, als einer der Begleiter der Dame ihn auffordert, derartige Unflätigkeiten zu unterlassen.

Es macht die Sache nun aber nicht unbedingt besser, daß M. und sein Kumpel diese Schwierigkeit dadurch auflösen, daß sie besagten Begleiter erst rund um den ZOB jagen, ihn anschließend niederschlagen und dann am Boden zusammentreten. Und daß unsere beiden Helden beim Eintreffen des ersten Streifenwagens sogleich ihr Heil in der Flucht suchen (und Schutzmann Schlau und Schutzmann Schneidig dadurch noch kurz vor Feierabend zum Dienstsport zwingen), trägt auch nicht gerade dazu bei, das Verhältnis zur Staatsmacht nennenswert zu verbessern.

Allerdings krönt unser M. die erbrachten gedanklichen Leistungen des Tages damit, daß er nach erfolgreichem "Getaway" zehn Minuten später wieder am Tatort angeschlendert kommt... gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie sein festgenommener Kumpel in den Streifenwagen gestopft wird. Dieses Highlight kann er auch dadurch nicht mehr überbieten, daß er sich heftig gegen die Kollegen wehrt, daraufhin einmal kräftig mit dem Gesicht auf dem Asphalt bremst und anschließend in Handschellen im Brustton der Überzeugung beteuert: "Ey, isch hab gar nix gemacht!"

Nun ja. Es ist anscheinend nicht jedem gegeben, gelungene Komplimente zu machen...