Montag, 26. Oktober 2009

Das Schwert der Gerechtigkeit

Unser Job bringt es mit sich, daß man regelmäßig Sachen erlebt, die andere Leute nur aus Fernsehen und Tageszeitung kennen... der spektakuläre Verkehrsunfall, der Großbrand, das blutige Beziehungsdrama, der große Raubüberfall. Was der mündige Bürger gerne mal vergißt, ist die Tatsache, daß derartige Vorfälle auch immer einen Einfluß auf die Art und Weise unseres polizeilichen Einschreitens haben.

Vor einiger Zeit mündete ein derartiger spektakulärer Vorfall darin, daß im Bereich meiner Dienststelle für etliche Tage die gesamte Belegschaft mit Mann und Maus auf der Suche nach einem flüchtigen Tatverdächtigen zweier Tötungsdelikte war.

Am späten Abend in der Samstagnachtschicht knackt plötzlich das 2m-Gerät... "Fahrt mal eben in die XYZ-Straße zur St.-Dingsbums-Gemeinde... da wird eine verdächtige Person auf dem Parkplatz gemeldet, die soll ein Samuraischwert bei sich tragen."

Mein Partner und ich schauen uns wortlos an und mir schießt sofort der Gedanke durch den Kopf, daß das eigentlich nur unser flüchtiger Täter sein kann. In seiner Wohnung (in der nun das SEK sitzt und auf ihn wartet) sind nämlich diverse Hieb- und Stichwaffen aufgefunden worden. Ich wende den Streifenwagen und wir rasen mit Blaulicht, aber ohne Martinshorn in die nahegelegene XYZ-Straße.

Am Straßenrand vor dem Gemeindehaus erwarten uns schon drei aufgeregte Jungs, die uns erzählen, die Person sei da hinten auf dem Parkplatz irgendwo zwischen den Autos. Wir fordern die Hinweisgeber auf, sich erstmal zurückzuziehen, und nähern uns vorsichtig mit gezogener Waffe dem Parkplatz. Die Gegend ist fast stockfinster und wird nur durch eine einzelne, halbkaputte Straßenlaterne notdürftig erleuchtet. Im Schein unserer Taschenlampen erkenne ich einige kreuz und quer geparkte Fahrzeuge... und plötzlich einen sich bewegenden Schatten zwischen zwei Autos.

Ich brülle "Stehenbleiben, Polizei!", während wir uns zügig der Stelle nähern. Die schemenhaft zu erkennende Person, die ich nun erkenne, denkt allerdings gar nicht daran, stehenzubleiben. Vielmehr muß ich über die Visierung meiner Waffe hinweg sehen, daß sie mitsamt ihrem Samuraischwert hinter das nächste Fahrzeug huscht und sich dort zu schaffen macht.

"Oh Scheiße", denke ich. "Entweder ist es tatsächlich der Täter und gleich geht es hier aufs Ganze, oder es ist eine Verwechslung und mein Partner nietet den Typen gleich um." Der Junge ist nämlich neu auf der Dienststelle, hat noch Rookie-Status und ist mitunter etwas nervös.

Glücklicherweise kommt die Person umgehend wieder mit leeren Händen hinter dem Auto hervor, latscht erst in aller Seelenruhe auf zwei Waffenmündungen zu und geruht dann nach nochmaligem Anbrüllen endlich, die Hände auf das nächste Autodach zu legen, wo mein Partner ihr endlich Handfesseln anlegen kann.

Als wir den Sachverhalt dann geklärt haben, muß ich zuerst böse gucken und mir dann ein Schmunzeln verkneifen. Natürlich handelt es sich bei unserem wackeren Schwertkämpfer nicht um den flüchtigen Mörder. Tatsächlich ist es der ziemlich betrunkene Hausmeister der St.-Dingsbums-Gemeinde. Und das "Schwert" ist gleichfalls keine rasiermesserscharfe Samuraiklinge, sondern entpuppt sich vielmehr als eine Gardinenstange aus Aluminium.

Die hatte der Hausmeister sich nämlich nach eigenem Bekunden gegriffen, als er vor die Tür gegangen war, um die lautstark vor dem Gemeindehaus auf- und abfahrenden Rollertuner zu disziplinieren und (Originalzitat) "ihre Geschwindigkeit zu mindern". Wie der gute Mann die Rollergeschwindigkeit mittels einer Gardinenstange mindern wollte, überlasse ich der Vorstellung des geneigten Lesers.

Der Hausmeister bekommt die verdiente Standpauke von uns und zeigt sich angemessen betroffen und kleinlaut, als ich ihm erkläre, daß er eben gerade beinahe erschossen worden wäre. Bevor wir den Schauplatz des Geschehens wieder verlassen, frage ich ihn, warum er nicht einfach 110 gerufen habe, um das Problem mit den Rollertunern zu lösen. Seine Antwort ist leicht genuschelt und etwas schwer zu verstehen. aber ich kann gerade noch so die Worte "... blabla... christliche Nächstenliebe... murmel" ausmachen.

Nun ja. Wahrscheinlich sollte sich der gute Mann lieber mal ein paar Gedanken darüber machen, daß er am heutigen Abend beinahe ein Opfer des alten Grundsatzes "Bittet und es wird euch gegeben werden" geworden wäre. Denn mein Partner und ich legen durchaus gesteigerten Wert darauf, nach Schichtende heil wieder nach Hause zu kommen.

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